Journalist Manuel Möglich und Autor Thorsten Nagelschmidt, in der Punkrockszene auch bekannt als Nagel, kommen viel rum. Die Geschichten, die sie auf Lesetouren durch Deutschland oder bei Recherchereisen um die ganze Welt erlebten, haben sie nun aufgeschrieben.
Auf einer Reise nach Dublin entstand der erste Text, den Nagel vorlas. Neben der ungewöhnlichen Fahrweise im Straßenverkehr und zahlreichen Bronzestatuen, dessen Vorbilder einen Hang zum Alkoholismus zu Lebzeiten aufweisen, beschäftigte Nagel vor allem das Thema der Einsamkeit. „Das schlimmste im Zug ist, wenn der Mensch neben mir laut mit den Arbeitskollegen spricht, ins Handy brüllt oder mich in blöde Gespräche verwickelt“.
Währenddessen zeigten Nagel und Manuel Möglich immer wieder Schnappschüsse, die sie unterwegs aufgenommen hatten. Der Text über die Einsamkeit wurde begleitet von dem Bild eines Banners mit dem Titel der Fußballhymne „You'll never walk alone“ und den Hinweis auf eine religiöse Internetseite. „Nie alleine sein, das klingt wie eine Drohung“, beendete Nagel seinen Text.
Nagel, Sänger und Gitarrist der ehemaligen Punkrockband Muff Potter, war im letzten Jahr mit seinem aktuellen Buch „Drive-by-shots“ in ganz Deutschland auf Lesereise. Was er in dieser Zeit erlebt hat, hat er aufgeschrieben: So las er in abgelegenen Städten in Süddeutschland und trat dort auf, wo zeitgleich Ton Steine Scherben oder ein Udo Lindenberg-Double spielten. Auch in der Essener Zeche Carl präsentierte er seine Texte, wo er eine Aufnahme von der Bushaltestelle vor dem Veranstaltungsort machte. Hier war Carl einmal mit C und einmal mit K geschrieben, was beim Publikum für viel Unterhaltung sorgte. Viele weitere solcher Bilder hatte Nagel auf seiner Reise gemacht und zeigte sie nun dem Dortmunder Publikum.
Manuel Möglich las einen Text über eine Reise in den Iran. „Ich wollte mir einmal das Ramadan-Fest im Iran ansehen. Als Journalist hatte ich da schon komische Gefühle. Schließlich reist man dort hin, wo Journalisten nicht so gerne gesehen sind“, erklärte er. Gerne hätte er seine Kamera dabei gehabt, um die zahlreichen netten Begegnungen, die er dort gemacht hatte, zu dokumentieren. Doch stattdessen habe er Tagebuch geführt. Und so berichtete er davon, wie er in den Seitenstraßen von Teheran erlebte, wie Leute offen kifften, obwohl Möglich während seiner Aufenthalts im Iran ständig von der Polizei kontrolliert wurde. „Die politische Situation ist ein Spiel mit der Angst“, resümiert er. „Wer mutig ist, kifft.“ Auch erzählte Manuel Möglich davon, wie er häufig auf seine Herkunft angesprochen wurde und die – meist älteren Iraner – begeistert auf Deutschland reagierten, die Arier lobten und auf Israel schimpften. Ein Taxifahrer machte sogar den Hitlergruß.
Anders erging es Möglich bei seiner Tour nach Samoa. Nach der langen Reise, die insgesamt 42 Stunden dauerte, versuchte er wieder auf die Beine zu kommen. Dabei geriet er an das Kava-Getränk. Kava ist eine Pfefferart, die einen Rausch auslöst und wieder fit machen sollte. Und so begab sich der Autor auf die Suche nach dem geheimen Pulver und fand es schließlich in einem Kiosk. Im Hotel fragte er nach der richtigen Zubereitung, die ähnlich wie die von Kaffee erfolgte und sich im Hotelzimmer ohne dafür geeignete Maschine als ziemlich umständlich erwies. Bereits nach den ersten Schlücken spürte Manuel Möglich seine Zunge nicht mehr, doch er trank aus. Anstatt wachzuwerden, schlief er ein und erwachte erst am Nachmittag wieder.
Die Lesung von Nagel und Manuel Möglich war humorvoll und hielt viele skurrile Geschichten bereit. Gleichzeitig enthielt sie politische Statements. Wie es zu dem Titel der Veranstaltung „Trump mal nicht in Brooklyn“ kam, konnten sich die beiden Autoren zwar auch nicht mehr so recht erklären. Doch bei einem waren sie sich sicher: „Wenn Donald Trump Präsident wird, dann gibt es ab 2018 endlich wieder gute Punkrockplatten aus den USA.“
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