Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
28 29 30 1 2 3 4
5 6 7 8 9 10 11

12.601 Beiträge zu
3.825 Filmen im Forum

Findet es spannend, wenn Kino zum Spiegel der Zeit wird: Dominik Lenze
Foto: privat

Kino auf der Höhe der Zeit

25. Februar 2016

Der Filmmonat März widmet sich der Krisenbewältigung gestern und heute – Vorspann 03/16

Wenn der hohle Mob aus dem Ödland im Osten vor einem Bus Geflüchteter in fröhliche Pogromstimmung verfällt, die Freunde und Helfer der Rassisten ihr Versagen damit entschuldigen, dass Flüchtlinge im Bus „provozierende Gesten“ gemacht hätten und sich die vom mittelmäßigen Wohlstand schon satte Dummheit vor brennenden Asylbewerberheimen zusammenrottet, um hämisch über das Leid Schwächerer zu lachen – dann ist das in allererster Linie ein nie verzeihbares Verbrechen an den Menschen, die Schutz suchen. Aber auch an dem jüngsten Stück deutscher Kulturgeschichte, das schon längst in der Filmwelt angekommen ist.

Denn die sogenannte Flüchtlingskrise importiert in erster Linie weder Terroristen noch sozialen Sprengstoff – sondern filmreife Geschichten von mutigen, mit Sicherheit nicht unfehlbaren, Protagonisten, die zu Recht schon ihren Weg auf die Leinwand gefunden haben und Filmemacher zu spannenden Werken inspiriert haben. Zum Beispiel den Italiener Gianfranco Rosi, der nun für seinen Dokumentarfilm „Fuocoammare“ den Goldenen Bären der Berlinale gewonnen hat.

Auf der anderen Seite widmet sich das Kino – auch das ist symptomatisch – der Vergangenheitsbewältigung: Das fing letztes Jahr an mit „Der Staat gegen Fritz Bauer“ und wird nun fortgeführt mit Hans Steinbichlers „Das Tagebuch der Anne Frank“. Es ist nicht die erste Verfilmung dieses Dokuments von Verfolgung und Schrecken. Für seine Adaption setzte der Regisseur auf radikale Subjektivierung – passend zum persönlichen Format des Tagebuchs.

Etwas weniger weit in die Vergangenheit greift „13 Hours: The Secret Soldiers of Benghazi“: Der Film erzählt die Rettung von US-Diplomaten aus Libyen, als sie im Jahre 2012 angegriffen wurden. In den USA stieß der Film auf gemischte Kritiken und auch sonst erinnert der Plot ein wenig an „Argo“ –  ein großartiger Film, aber eben auch gut gemachte Anti-Iran-Propaganda. Das ändert nichts daran, dass man diesen Film unbedingt sehen sollte: Hier wird Geschichte auf  Leinwand projiziert, das ist immer spannend.

Libyen ist zerbombt – mission accomplished! – nun stellt sich die Frage, „Where to Invade Next“. Die stellt Michael Moore in seiner gleichnamigen Doku. Der umstrittene Filmemacher reiste dafür auch in  arabische Länder und verglich die soziale Lage dort mit der in seiner Heimat – was zu unerwarteten Einsichten führte.

Wenn wir an Schrecken und Terror denken, müssen wir weder in die Zeit der Anne Frank zurückgehen oder nach Libyen reisen – es reicht eine Zugfahrt nach Köln. Daran erinnert Andreas Maus‘ „Der Kuaför aus der Keupstraße“, der die Folgen des Nagelbombenanschlages von Nazi-Terroristen in dem türkischen Kölner Viertel rekonstruiert.

Auch ums Thema Vergangenheitsbewältigung kreist das Drama „Grüße aus Fukushima“, das von der letzten Geisha der atomverseuchten japanischen Stadt handelt – die auf gar keinen Fall ihre Heimat verlassen will.

Ach ja, und natürlich kämpft diesen Monat auch Batman gegen Superman. In Anbetracht der Lage ist das zwar, frei nach Brecht, bloß ein Reden über Bäume – aber immerhin verdammt coole Bäume. Mit Superkräften.

 

Dominik Lenze

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Thunderbolts

Lesen Sie dazu auch:

Amazon-Bond & beyond
007 ist zum Streaming-Start freigegeben – Vorspann 03/25

Aus unterschiedlichen Galaxien
Im Februar starten Biopics über Bob Dylan und Maria Callas – Vorspann 02/25

Zwischen Helden- und Glückssuche
Die Kinotrends des Jahres – Vorspann 01/25

Besuchen Sie Europa
Die Studie Made in Europe und ihre Folgen – Vorspann 12/24

Filmfestivalmonat November
Mit der Duisburger Filmwoche, Doxs! und dem Blicke – Filmfestival des Ruhrgebiets – Vorspann 11/24

Reise in die Seele des Kinos
Die Ausstellung „Glückauf – Film ab“ in Essen – Vorspann 10/24

Programmkollaps
Vergraulen immer komplexere Kinoprogramme das Publikum? – Vorspann 09/24

Zurück zum Film
Open-Air-Kinos von Duisburg bis Dortmund – Vorspann 08/24

„Poor Things“, reiches Cannes
Eine Bilanz der ersten sechs Kinomonate – Vorspann 07/24

Ewige Stadt, ewiges Kino
In Rom werden aus alten verlassenen Kinos wieder Kinos – Vorspann 06/24

Der Kurzfilm im Rampenlicht
Die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen 2024 – Vorspann 05/24

„Viel Spaß beim Film“
Vom Ende der Platzanweiser:innen – Vorspann 04/24

Film.

HINWEIS