Eine Lesung im restlos ausverkauften Schauspielhaus mit einem auffällig und ungewöhnlich hohen Anteil an Männern mittleren bis fortgeschrittenen Alters – wenn Frank Goosen einen Roman präsentiert, gelten andere Regeln als für den Großteil literarischer Veranstaltungen. Man(n) weiß, was geboten wird: eine launige Mischung aus Lesung und Anekdoten des kabarett- und comedyerfahrenen Autors. Dass Goosen mit Frank Förster, Fränge und Brocki drei alte Bekannte ins Rennen schickt, deren Lebens- und Midlifekrisen man schon in den Romanen „Förster, mein Förster“ und „Kein Wunder“ sowie einigen Kurzgeschichten miterleben durfte, sorgt zusätzlich dafür, dass man sich sofort zurecht findet zwischen den Sticheleien der Protagonisten. Dennoch ist etwas anders als in früheren Romanen Goosens: Heimliche Helden sind diesmal nicht die altbekannten Mittfünfziger, sondern ein wilder Haufen pubertierender Jungs. Frank Goosen, dessen Liebe zum Fußball im Allgemeinen und zum VfL Bochum im Besonderen kein Geheimnis ist, hat vier Jahre lang als Jugendtrainer in dem Verein gewirkt, in dem seine Söhne spielten. Diese Erfahrungen hat er nun literarisch verarbeitet.
Nicht zum ersten Mal schreibt Goosen über Fußball – allerdings erstmals in Romanform. Doch es ist nicht der „große“ Bundesligasport der Arenen, dem er sich widmet, sondern es geht an die Basis, auf den Ascheplatz: Fränge hat in der Beziehung zu seinem Sohn Alex kein besonders glückliches Händchen bewiesen. Vielleicht lässt sich das Vater-Sohn-Verhältnis wieder in bessere Bahnen bringen, wenn er den offenen Trainerposten im Verein des Filius übernimmt? Und weil Fränge gerade führerscheinlos ist, holt er noch Förster mit ins Boot, der zwar keinerlei Bezug zu oder gar Ahnung von Fußball hat, aber unter dem Titel Co-Trainer als Fahrer fungieren kann. Die innere Distanz, die Förster zum Spiel und Tabellenplätzen hat, sorgt für gehörige Fallhöhe in den Dialogen. An die Wand gespielt werden die drei Herren jedoch von den 13 Jungs des Teams, die wenig Freude am Aufwärmen haben, aber umso motivierter auf’s Tor zustürmen, wenn eine attraktive junge Schiedsrichterin pfeift. Pubertäres Imponiergehabe, Unsicherheit und Überheblichkeit sowie unflätige Bemerkungen über die Mutter des jeweils anderen kennzeichnen die Dialoge in der Kabine und am Spielfeldrand. Vier Jahre Trainerschaft haben Goosen ein reichhaltiges Schatzkästchen jugendlicher Dialoge beschert. Längst nicht alle sind in den Roman eingegangen: Wie üblich bei seinen Lesungen legt Goosen den Roman oft und gerne aus der Hand, um ab- und ausschweifend aus dem Nähkästchen zu plaudern. Neben Frotzeleien und Streitigkeiten der Jungs sind es Erlebnisse mit gegnerischen Trainern und vor allem überehrgeizigen Spielereltern, die eine unglaubliche Komik mit sich bringen, zuweilen aber auch fassungslos machen.
Das Bochumer Premierenpublikum lacht Tränen und belagert den Büchertisch in der Pause und nach der Lesung. Es ist nicht der große, lang nachhallende Ruhrgebietsroman, den Frank Goosen hier abliefert, sondern (wieder) ein kurzweiliger Unterhaltungsroman, der mit seinem Fokus auf die Jugendmannschaft einen neuen Aspekt im Genre des Fußballromans beleuchtet. Ein Platz auf den Beststellerlisten und ausverkaufte Lesungen dürften wahrscheinlicher sein als der souveräne Klassenerhalt des VfL Bochum.
Frank Goosen: Spiel ab! | 2.3. Fritz-Henssler-Haus Dortmund | 9.3.Stadtbücherei Gladbeck | 10.3. Stadtsaal Wetter | 11.3. Ringlokschuppen Mühlheim | 15.3. Stratmanns Essen | 17.3. Kulturhalle Neukirchen-Vluynm | 22.3. Ebertbad Oberhausen | 24.3. Flottmann-Hallen Herne | www.frankgoosen.de
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