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3 Seasons in Hell

3 Seasons in Hell
Deutschland, Tschechien, Slowakai 2009, Laufzeit: 110 Min., FSK 12
Regie: Tomáš Mašín
Darsteller: Kryštof Hádek, Karolina Gruszka, Jan Kraus, Martin Huba, Luboš Kostelný, Tatiana Pauhofová
>> www.eclipse-film.de/index.php?action=film&id=4

Initiation auf Anti-Kommunistisch
„3 Seasons in Hell“ von Tomáš Mašín

Er ist der Coolste. Er ist intelligent, gutaussehend und er ist Dichter. Vier gute Gründe für Ivan Heinz, 19 Jahre alt, dem Unterricht fern zu bleiben und in den Cafés von Prag unverständigen Kellnern die Schule des Surrealismus zu erläutern. Die Handlung der tschechisch-slovakisch-deutschen Ko-Produktion mit dem Titel „3 Seasons in Hell“ basiert auf der Biographie des Schriftstellers Egon Bondy. Der Film umfasst die Jahre 1947 bis 1949 und somit die Jugend des Künstlers, der bis zum Ende des tschechischen Kommunismus mit seinen undurchschaubaren Aktionen gegen das System die sozialistische Führungsriege in Atem halten sollte. Der Geschichte zufolge ist aller Anfang jedoch schwer.
Ivans (Kryštof Hádek) Begeisterung für die soeben in Prag einmarschierende Revolution kann auch sein Vater, der pensionierte Offizier, nicht brechen. Von zuhause befreit und in Gesellschaft seiner Freunde macht sich unser Held auf, die Literaturszene mit seinen Versen zu revolutionieren. Doch die sehr realen Kehrseiten der marxistischen Idee und ein dringlicher Musterungsbescheid versperren sich seinen Träume und dem sorgenlosen Leben der Bohème. Zusammen mit seiner wankelmütigen Freundin Jana (Karolina Gruszka) plant er schließlich die Flucht nach Paris.

„Ich scheiß auf die Revolution“
Bei der Darstellung des Möchtegernpoeten Ivan ist viel Liebe zum Detail erkennbar. Mit Fäkalienmetaphorik und latent existentialistischem Rollkragenpulli fühlt er sich der künstlerischen Elite seines Landes zugehörig. Er zündet seinen eigenen Körper an, um die Einzigartigkeit des Moments zu leben, schreit obszöne (fäkalsprachliche) Parolen in den öffentlichen Raum und lässt den Zuschauer sich bis zur Peinlichkeit fremd schämen. Nach Lebenserfahrung und Verständnis für den Ernst der Lage fragt nicht nur der Literaturkritiker Viktor Lukas (Jan Kraus), und entlarvt damit auch für Ivan die Oberflächlichkeit seiner Kunst.
Weniger zielsicher als die Inszenierung wirkt hingegen das Tempo der Erzählung. Gelegentliche Längen und ein starker Unterschied zwischen ausgiebiger Exposition und schneller Abhandlung des Höhepunkts bringen das Zeitgefühl durcheinander. Grund dafür könnte die Unerfahrenheit des Regisseurs Tomáš Mašín mit der abendfüllenden Form sein. Nach der erfolgreichen Produktion von einigen teilweise preisgekrönten Kurzfilmen ist „3 Sezóny v Pekle“ (Originaltitel) sein Regiedebut für die große Leinwand. Seine Fertigkeiten zeigt Mašín jedoch auf gelungene Weise bei der Inszenierung von Ivans Sicht auf die Welt. Die Einbindung surrealistischer Bilder in das Geschehen ist rabiat doch niemals irritierend. Die Giraffe vor Ivans Haustür als Sinnbild einer besseren Zukunft im exotischen Exil ist nur stellvertretend zu nennen für die eigenwilligen Äußerungen des exzentrischen Protagonisten.

Kein Geschichtsunterricht
Skurrile Äußerungen und aufgesetzte Exzentrik sind es, die Ivan letztlich den sozialistischen Funktionären vorträgt und damit zum ersten Mal aus der Geborgenheit seines duldsamen Freundeskreises heraustritt. Die Prügel hätte er kommen sehen können. Die Realität der sozialistischen Politik und die daraus folgende Freiheitsberaubung erschüttern Ivans ohnehin desillusionierten Glauben an die marxistische Idee. Da helfen ihm auch keine Ausflüchte, er wolle den französischen Geheimdienst mit Hilfe einer Streichholzschachtel voll infizierter Flöhe zu Grunde richten. Was klingt wie die Satire einer dramatischen Aufarbeitung des tschechoslowakischen Kommunismus, zeichnet jedoch das brutale Erwachsenwerden eines überheblichen und verhätschelten Jugendlichen aus.
Figuren mit vielen Ecken und Kanten, die sich gegen den eigenen Widerstand selbst überwinden und sich in unsere Herzen einschleichen. Das ist man vom tschechischen Film der Gegenwart gewohnt. Brauchen wir ein weiteres Beispiel? Brauchen wir Ivan Heinz? Die Antwort ist eindeutig positiv. Denn Mašín ist kein Jan Svěrák, der seit seinem Oscar-Erfolg „Kolya“ für die meisten international bekannten tschechischen Filme verantwortlich ist. Die Charakterstudie und die Melancholie des Lebens sind zwar typische Motive Svěráks, doch versteht man „3 Seasons in Hell“ dank eines erkennbar eigenen Stils keineswegs als Trittbrettfahrer. Außerdem lieben wir diese leichtfüßige slawische Zither, die auch den Soundtrack zum Film extrem hörenswert macht.
Es ist nur ein kleiner Schritt für die Tschechoslowakei und für den Kommunismus ist es sicherlich gar kein Schritt. Aber Ivan Heinz geht einen großen Schritt Richtung Befreiung des Geistes. Und es ist schön, vor der Leinwand ein Teil davon sein zu dürfen.

(Amelie Dieckhoff)

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