Vom 14. bis 18. September fand in Leipzig die alljährliche Filmkunstmesse statt. Das breit aufgestellte Kinoprogramm wird stets begleitet von Seminaren, Workshops und Podiumsdiskussionen, in denen sich Kinobetreiber, Regisseure, Produzenten, Filmförderer und viele mehr den brennenden Fragen der Branche widmen. Programmatisch wurde die Messe eingeleitet mit der Podiumsdiskussion „Kino: Dafür werden Filme gemacht!?“. Bernd Neumann, seines Zeichens Präsident der Filmförderungsanstalt, konstatierte in diesem Rahmen, dass „der Kinofilm ein unersetzbarer Bestandteil unserer Kultur und damit auch unserer eigenen Identität ist“ und bescheinigte insbesondere den Programmkinos enorme Bedeutung, wenn es um das künstlerisch anspruchsvolle Filmangebot sowie den gesellschaftlichen Auftrag geht. Jüngst herausgegebene Zahlen bestätigen diese anerkennenden Worte, denn im vergangenen Jahr legten die Programmkinos trotz des rückläufigen Gesamtmarktes an Zuschauerzahlen wie auch an Umsatz zu.
Doch nicht nur nackte Zahlen belegen, dass Programmkinos wichtig sind und sich ihres gesellschaftlichen Auftrags annehmen. Allein der Blick nach Dortmund – eine Stadt, die Schlagzeilen macht zwischen einer dominant auftretenden Partei Die Rechte und herzlichen Begrüßungen und Hilfeleistungen für Flüchtlinge – zeigt, was Kino leisten kann. Anstatt Grenzen zu ziehen, baut das Roxy in der Dortmunder Nordstadt wortwörtlich eine Brücke zwischen den Kulturen mit dem ersten Festival der arabischen Künste in Dortmund „Huna/k“ (24.9.- 4.10.). Unbeachtete Filmklassiker, Spielfilme junger Regisseure und aktuelle Dokumentarfilme zeichnen im Oktober ein plastisches Bild der oft eindimensional wahrgenommenen arabischen Welt. Einige Meter weiter im Depot beschäftigt sich das Kino sweetSixteen schon seit längerem mit den Themen Flucht, Vertreibung und Integration. „Willkommen auf Deutsch“ geht dabei am 5. Oktober einer Frage nach, die momentan dringlicher nicht sein könnte: Was bedeutet die Aufgabe der alten Heimat, wie in Kontakt treten mit Neuankommenden? Kino kann so viel leisten in der und für die Gesellschaft.
Aber ist Kino auch langfristig in der Lage, all dies zu leisten? Eine Vielzahl von Filmen, eine nicht mehr zeitgemäße Auswertungskette und die starke Konkurrenz seitens VoD, von dem dicken Heimkino ganz zu schweigen, erschweren es den Kinos, ein für alle beteiligten Interessengruppen zufriedenstellendes Programm anzubieten. Bernd Neumann unterstrich in Leipzig die Wichtigkeit, die Reihenfolge der Auswertungskette nicht aufzuweichen, also die Sperrfristen zwischen Kinostart und Folgeauswertung eines Films weder zu verkürzen noch abzuschaffen. Doch genau das ziehen immer mehr Kinos in Erwägung, und dies nicht allein, um nicht von der Konkurrenz in die Nebensächlichkeit verwiesen zu werden. Kino on Demand beispielsweise bietet Kinos die Möglichkeit, über ihre jeweilige Website Filme für die „Heimkinogänger“ als Stream zu vermieten. Filme, die angesichts der nachrückenden Filme zu schnell aus dem Programm genommen werden mussten oder ausgesuchte Klassikerpakete können die Kinos so an Filmbegeisterte bringen. Im Ruhrgebiet geht das Endstation Kino in Bochum diesen geradezu revolutionären Schritt. Was die Zukunft dem Kino bringen kann und wird, werden Branchenvertreter auf künftigen Podiumsdiskussionen weiterhin besprechen. Auf dass das Kino weiterhin unersetzbarer Bestandteil unserer Kultur ist.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Mikrodramen vs. Spielfilm
Was können Kinos gegen die Schnipselflut tun? – Vorspann 06/25
Amazon-Bond & beyond
007 ist zum Streaming-Start freigegeben – Vorspann 03/25
Aus unterschiedlichen Galaxien
Im Februar starten Biopics über Bob Dylan und Maria Callas – Vorspann 02/25
Zwischen Helden- und Glückssuche
Die Kinotrends des Jahres – Vorspann 01/25
Besuchen Sie Europa
Die Studie Made in Europe und ihre Folgen – Vorspann 12/24
Filmfestivalmonat November
Mit der Duisburger Filmwoche, Doxs! und dem Blicke – Filmfestival des Ruhrgebiets – Vorspann 11/24
Reise in die Seele des Kinos
Die Ausstellung „Glückauf – Film ab“ in Essen – Vorspann 10/24
Programmkollaps
Vergraulen immer komplexere Kinoprogramme das Publikum? – Vorspann 09/24
Zurück zum Film
Open-Air-Kinos von Duisburg bis Dortmund – Vorspann 08/24
„Poor Things“, reiches Cannes
Eine Bilanz der ersten sechs Kinomonate – Vorspann 07/24
Ewige Stadt, ewiges Kino
In Rom werden aus alten verlassenen Kinos wieder Kinos – Vorspann 06/24
Der Kurzfilm im Rampenlicht
Die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen 2024 – Vorspann 05/24
Arbeitskampf und Dekolonisation
Das IFFF 2025 in Dortmund und Köln – Festival 04/25
Opferbereit gegen das System
Dokumentarfilm „Algier – Hauptstadt der Revolutionäre“ im Essener KWI – Film 02/25
Früher war mehr Kino
Führung durch die Essener Ausstellung „Glückauf – Film ab!“ für trailer-Leser:innen
Ungeschönt aufs Leben blicken
32. blicke-Filmfestival in Bochums Endstation Kino – Film 01/25
Schund und Vergnügen
„Guilty Christmas Pleasures: Weihnachtsfilme“ im Filmstudio Glückauf Essen – Foyer 12/24
Black Tea
Start: 19.6.2025
Zikaden
Start: 19.6.2025
Der Salzpfad
Start: 17.7.2025
Eddington
Start: 17.7.2025