Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
22 23 24 25 26 27 28
29 30 1 2 3 4 5

12.558 Beiträge zu
3.787 Filmen im Forum

Grafik: Drnaso / Blumenbar

Vexier-Comics

02. Januar 2023

Neue Werke von Nick Drnaso und Eva Müller – ComicKultur 01/23

Vor vier Jahren ist Nick Drnasos Graphic Novel „Sabrina“ erschienen, eine Geschichte um eine Frau, die verschwindet und was das alles für Folgen nach sich zieht. Drnaso zeichnet darin ein komplexes Panoptikum der amerikanischen Gesellschaft, angenagt von emotionalen Krisen und Ängsten, die immer wieder durch dramatische oder dramatisierte Ereignisse gefüttert werden.

Drnasos neuer Comic steht „Sabrina“ an Komplexität und Anhäufung verlorener Seelen in nichts nach: Acting Class begleitet einen Schauspielkurs für Amateure und seine Teilnehmer:innen. Sie alle haben ihr Päcklein zu tragen und erhoffen sich vielleicht von dem Kurs ein wenig Abstand von der Wirklichkeit, dem Ist-Zustand, und vielleicht auch etwas mehr Einblick in den Ich-Zustand. Der leicht dubiose Kursleiter John feiert hingegen vor allem den Als-ob-Zustand: Zunächst entfaltet die Gruppe recht gewöhnliche Einzel- und Gruppenimprovisationen mit den üblichen Aha-Effekten beim Spielen. Nach und nach entstehen dabei jedoch Irritationen und Realität und Spiel verschwimmen. Drnasos Erzählung wirkt über Strecken fast dokumentarisch. Er beobachtet die Proben, die Gespräche. Doch schon bald treibt er das Verwirrspiel der Ebenen auch visuell an, wenn man die Kursteilnehmer:innen nicht nur in der Halle spielen sieht, sondern sich auch die Räume magisch verändern. Bei aller Nüchternheit der Zeichnungen entfaltet sich zunehmend ein Spiel der Bewusstseinsebenen, das mitunter an David Lynch erinnert und zunehmend die inneren Abgründe, aber auch verschütteten Potentiale der Protagonist:innen freilegt (Blumenbar).

Eva Müller bleibt abgesehen von einer bösen Schlange in der Wiklichkeit – ihrer Wirklichkeit. Scheiblettenkind ist als Autofiktion ihrer eigene Kindheit und Jugend angelegt, die geprägt war vom Klassismus: hier die Freund:innen mit Geld, dort ihr Arbeiterhintergrund und latente Armut, aus der sie sich langsam mit ihrem kreativen Talent, dass in ihrer Familie wiederum nichts bedeutet, befreit. In einfachen Bleistiftzeichnungen entführt uns Müller in eine schwere, traumatisierende Biografie, die sie auch als Künstlerin prägt (Suhrkamp).

Christian Meyer-Pröpstl

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Arthur der Große

Lesen Sie dazu auch:

Female (Comic-)Future
Comics mit widerspenstigen Frauenfiguren – ComicKultur 04/24

Spurensuche
Comics zwischen Wirklichkeit, Fantasie und Spektakel – ComicKultur 03/24

Gertrude, Celeste und all die anderen
Progressive Frauen in Comics – ComicKultur 02/24

Held:innen ohne Superkraft
Comics gegen Diktatur und Ungerechtigkeit – ComicKultur 01/24

Ernste Töne
Neue Comics von Sfar, Yelin und Paillard – ComicKultur 12/23

Ausstellung in Buchformat
Wenn jedes einzelne Panel im Comic einem Kunstwerk gleicht – ComicKultur 11/23

Comic und Film Hand in Hand
Von, für und über Erwachsene – ComicKultur 10/23

Klaustrophobische Comics
Eingerahmter Existentialismus zwischen Leben und Tod – ComicKultur 09/23

Großalarm für Otakus
Manga Day 23 – Literatur 09/23

Zwiespältige Helden
Geschichten aus anderen Zeiten – ComicKultur 08/23

Große Werke bei kleinen Verlagen
Comics sind nach wie vor ein Risikogeschäft – ComicKultur 07/23

Rotes Blut, roter Staub
Graphic Novels mit cineastischen Bezügen – ComicKultur 06/23

Literatur.

Hier erscheint die Aufforderung!