Und am Ende hängt man an der Theke: Mit dem Dortmunder Tresen-Filmfestival endete ein Monat, der für Cineasten einiges zu bieten hatte: Kurzfilmkunst eroberte die Kneipen der Borussen-Stadt, die Säle der Lichtburg Oberhausen während der Internationalen Kurzfilmtage sowieso, und im Dortmunder U rückte das Filmfestival Futurale neue Formen des Arbeitens in den Fokus.
Und weit weg vom Revier, im sonnigen Süden Frankreichs, traf sich das Who-is-Who der Filmszene wie jedes Jahr in Cannes. Es lohnt ein Blick Richtung Côte d‘Azur, schließlich ist das Festival im Mutterland des Films immer auch ein Schaufenster auf das kommende Kinojahr.
Dieses Jahr feierte dort unter anderem der neue Film des Südkoreaners Park Chan-wook Premiere: „The Handmaiden“ handelt Hochstaplern und Taschendieben, Intrigen und Verwirrspielen im von Japan besetzten Korea der 30er Jahre. Die Unterdrückung durch den übermächtigen Nachbarn bestimmt bis heute das Nationalverständnis der beiden Koreas. Vor allen Dingen der Norden beruft sich in seiner Abschottungspolitik auf diese historische Erniedrigung. In der Romanverfilmung geht es um die reiche japanische Erbin Hideko, die ein falscher Graf um ihr Vermögen betrügen will. Wenn Chan-wook seinem Stil treu geblieben ist, dürfen wir wohl kein Historiendrama erwarten, sondern einen schwindelerregenden Abstieg in menschliche Abgründe. Jene Untiefen, die er auch in seinem Klassiker „Oldboy“ erkundete, in dem er seinen Protagonisten, den seit Jahren eingekerkerten, und auf Rache sinnenden Oh Dae-su mit gnadenloser Konsequenz in das denkbar unglücklichste Ende stolpern lässt. Für das verstörende Meisterwerk bekam Chan-wook 2004 den Großen Preis der Jury von Cannes. Ob sein neuestes Werk ebenso zu beeindrucken weiß, werden wir hoffentlich bald auch hierzulande erfahren. Diesen Monat startet der Film jedenfalls in den Kinos Südkoreas.
Nicht im Rennen um Goldene Palmen und andere Preise, aber dennoch in Cannes zu sehen, sind beispielsweise auch Jodie Fosters „Money Monster“ und „The Nice Guys“ von Shane Black. Beide Filme laufen auch diesen Monat in den Kinos des Reviers und bilden Fragestellungen ab, die sich seit einiger Zeit auf der Leinwand abzeichnen: Wer sind die Schurken, wer funktioniert noch als Bösewicht in diesen unübersichtlichen Zeiten? „Money Monster“, ein Thriller um den Finanz-Guru Lee Gates (George Clooney), deutet nach oben, in die höchsten Etagen der Bankengebäude. Die Detektiv-Komödie „The Nice Guys“ kann zwar nicht mit solch einfachen Feindbildern aufwarten, aber als Zeitreise zurück in die 70er ist sie dennoch symptomatisch: Es ist auch eine Rückbesinnung auf alte, einfache Zeiten, in der die Welt geteilt, aber überschaubar war. Mit der Ästhetik der 70er kam auch der Kalte Krieg zurück auf die Leinwand, wie zum Beispiel letztes Jahr mit Guy Ritchies „Project U.N.C.L.E.“ oder Steven Spielbergs Agententhriller „Bridge of Spies“. Bleibt zu hoffen, dass James Bond, der medienpädagogische Flügel der NATO, noch eine Weile Blofeld jagen darf, bevor er gegen den Russen kämpft.
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