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Durch die Wand: Nizaqete Bislimi schildert ihre erfolgreiche Fluchtgeschichte
Foto: Presse

Von Flucht, Social Beat und Regietheater

25. Januar 2016

Literatur in Bochum, Dortmund und Oberhausen – Lesezeichen 02/16

Nach unserem Auftakt im Januar blicken wir auch diesmal wieder auf drei ausgewählte Literatur-Ereignisse in der Ruhr-Region zurück und stellen mit dem Poetry Jam im Dortmunder subrosa eine Veranstaltungsreihe vor, die bereits seit zwei Jahrzehnten die heimische Szene prägt.

In ihrer autobiografischen Schilderung „Durch die Wand – Von der Asylbewerberin zur Rechtsanwältin“ (Dumont 2015) ist der kosovarischen Autorin Nizaqete Bislimi ein sehr eindrucksvolles persönliches Portrait der Fluchtgeschichte ihrer Familie gelungen. Rund 30 Gäste in der Oberhausener „Ruhrwerkstatt“ („Aka 103“) am 15.1. sind spürbar beeindruckt von der berührenden Migrationsgeschichte der damals Vierzehnjährigen. Zwei Jahre nach Beginn des Jugoslawien-Konflikts entschließt sich die Mutter, eine Romni, angesichts wachsender Spannungen zwischen der albanischen Mehrheit und der serbischen Minderheit im Kosovo zur Flucht über die Slowakei nach Deutschland. Ihr Mann, welcher der vorwiegend muslimischen Minorität der Aschkali angehört, ist bereits vom serbischen Militär als Reservist eingezogen worden und kommt erst Jahre später nach. Ihre ethnischen Wurzeln hat Nizaqete Bislimi, inzwischen Vorsitzende des 2012 gegründeten Bundes-Roma-Verbandes, aus Angst vor Abschiebung lange verschwiegen und erhielt erst 13 Jahre nach ihrer Flucht eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung. 2014 wurde sie deutsche Staatsbürgerin und setzt sich heute als Rechtsanwältin in Essen für das Bleiberecht Geflüchteter ein.

Im Ruhrpott wird nicht nur geslamt, sondern auch gejamt: Seit über 15 Jahren schon moderiert Social-Beat-Autor Grobilyn Marlowe den 1996 im Zuge der „gerade nach Europa schwappenden Slam-Welle“ ins Leben gerufenen Poetry Jam, der monatlich in der Dortmunder Nordstadt-Kneipe subrosa stattfindet. Die Besucherzahl schwankt gewöhnlich zwischen 60 und 80 – die der Akteure auf der offenen Poetenbühne zwischen 5 und 15. Beim jüngsten Jam am 18.1. genießen etwa 60 Gäste die im Vergleich zu so manchem konkurrenzorientierten Poetry Slam entspannte Jam-Atmosphäre. An diesem Abend unterhalten der Lyriker Michael Domas, Ex-Literaturmäzen Scheich (alias Klaus) Hoffmann, Retro-Social-Beat-Artist Florian Stein, Comedy-Performerin Sabrina  sowie Newcomer Robert Girke mit einem Mix aus Lyrik, Prosa und Satire. Ein gefeiertes Comeback zelebriert „Althase“ Uli Grothoff (52) u.a. mit einer Persiflage auf „50 Shades of Grey“ mit männlichem Opfer…

Vor 75 BesucherInnen stellt Lokalmatador Rainer Küster am 22.1. in der Mayerschen Buchhandlung Bochum seinen neusten Ruhrkrimi „Schuldenspiele“ vor, dessen Titel eine Variation von ‚Spielschulden‘ darstellt. Nach einer umstrittenen Tell-Inszenierung verschwindet plötzlich Hauptrollen-Darsteller Leon Steiner spurlos. In den Fokus der Ermittlungen gerät sein Bühnen-Antagonist Hartmut Duwe, der in seinem Stiepeler Luxus-Apartment polizeilich befragt wird. Am Ende der vor allem von jeder Menge Lokalkolorit geprägten Lesung bleiben jedoch alle Fragen offen. Literarisch impliziert Küsters neuer Krimi einen Abgesang aufs Regietheater, das mit werkverfremdenden Inszenierungen den ermittelnden Oberkommissar zu dem von Küster abschließend zitierten Kommentar herausfordert: „Diese Theaterleute haben – glaube ich – alle einen an der Waffel.“

Literaturszene im Ruhrgebiet: Poetry Jam [im subrosa]

ULRICH SCHRÖDER

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