Der Titel untertreibt. Die Ausstellung „Von Dürer bis Van Gogh“ reicht weiter in die Gegenwart. Auch Braque, Picasso und Warhol sind dabei, wie das Tüpfelchen auf dem „i“. Das Wallraf-Richartz-Museum in Köln zeigt in seinem Untergeschoss ein Schaulaufen mit Künstlern von Weltrang, indem es die eigene Sammlung punktgenau um Werke der in Zürich ansässigen Stiftung Bührle ergänzt. Die Ausstellung und die Korrespondenzen kommen nicht von ungefähr. Mitte des 20. Jahrhunderts ist ein Schwerpunkt der Sammlungstätigkeiten des Wallraf-Richartz-Museums und des Züricher Industriellen Emil Bührle (1890-1956) der Impressionismus. Leopold Reidemeister, der damalige Direktor des Wallraf-Richartz-Museums, lernt Bührle 1953 kennen und bleibt mit ihm freundschaftlich verbunden. Die Erkenntnis, dass der Privatsammler den Museen bei Ankäufen in seiner Beweglichkeit und in den Finanzen weit überlegen ist, ist für den Kölner Museumsdirektor Ansporn; Bührles Sammlung gilt in diesen Jahren als Maßstab.
Was für fantastische Paarungen sich daraus ergeben, kann man nun erstmals sehen. Das beginnt mit zwei Gemälden von Aelbert Cuyp, beide aus dem Jahr 1645. Dem Museum gehören die „Fischerboote im Mondschein“, die Cuyp als Pendant zu seinem – heute Bührles – „Gewitter über Dordrecht“ gemalt hatte. Tatsächlich hingen die beiden Gemälde bis 1802 nebeneinander. Dass die Darstellung des Unwetters über der Landschaft bei Dordrecht zu den kunstgeschichtlichen Leistungen der Gewitter-Malerei gehört und schon für sich allein ein einmaliges Meisterwerk ist, sollte nicht vergessen werden. Ohnehin dienen die Korrespondenzen und Verweise dazu, für die Qualitäten und vielleicht sogar Neuerungen in den einzelnen Bildern zu sensibilisieren. Zusammen tragen sie dazu bei, die „Handschriften“ der Künstler und schließlich auch die Epochen weiter zu verdeutlichen und das Besondere ihrer Malweisen zu vertiefen. Das ist nun besonders bei den Impressionisten der Fall, wo sogar die Motive identisch sind. Bei Cézanne sind es die sonnenbeschienenen Landschaften, bei Vincent van Gogh die typisch holländischen Zugbrücken über einen Fluss. Neben dem französischen Impressionismus bildet die niederländische Malerei des 17./18. Jahrhunderts ein eigenes Kapitel dieser Ausstellung. Die Schau demonstriert aber auch das Fortleben von Motiven über die Jahrhunderte, etwa im Dialog von Redons „Kalvarienberg“ (um 1895, Stiftung Bührle) mit der Darstellung von Christus am Kreuz vom Meister des Marienlebens (um 1465, Wallraf-Richartz-Museum). Damit verweist die Ausstellung noch auf das, was in den anderen Stockwerken als permanenter Bestand zu sehen ist, in den mit der Fondation Corboud eine weitere Sammlung – nun auf Dauer – integriert ist. Kurzum, ein Gipfeltreffen auf höchstem Niveau.
„Von Dürer bis Van Gogh“ | bis 29.1. | Wallraf-Richartz-Museum Köln | 0221 22 12 11 19
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