In der Vergangenheit haben wir oft über Kinder gesprochen: in welchen Familien sie aufwachsen, wie sie am besten lernen oder wie wir sie erziehen. Außerdem haben wir genau hingeschaut, wo Kindern Ungerechtigkeit widerfährt, wie sie unter Armut und Gewalt leiden. Jetzt wollen wir endlich eine echte Expertin zu Wort kommen lassen. Meine Nichte Marla aus Oberhausen hat sich mit mir darüber unterhalten, wie das Leben als Kind so ist.
trailer: Ich kenne Dich ja schon Marla, aber die Leute, die das hinterher lesen, noch nicht. Stellst Du Dich mal kurz vor, wie Du heißt und wie alt Du bist?
Marla: Ich heiße Marla. Ich bin fünf Jahre alt. Bald werde ich sechs!
Was ist Dein Lieblingsessen?
Hühnchen mit Reis. Hast Du auch Hunger? Und essen wir heute Hühnchen mit Reis? Das wäre toll.
Ich weiß gar nicht, was wir heute essen. Was ist im Moment Dein Lieblingsspiel?
Schach.
Du veräppelst mich doch.
Nein!
Mit wem spielst Du denn Schach?
Mit Papa. Wir üben abends immer Schach. Oben, in meinem Zimmer, auf dem Boden vor dem Bett.
Ich kann gar kein Schach spielen. Das musst Du mir beibringen, wenn Du es kannst. Wohnt außer Papa noch wer mit Dir hier im Haus?
Hier wohnt auch meine Schwester Alina, mein Bruder Melwin, die sind älter als ich. Und meine Mama.
Und was machst Du, wenn Du nicht Zuhause bist? Gehst Du schon zur Schule?
Nein. Ich gehe in den Kindergarten. Ich will auch nicht in die Schule. Da darf man nicht spielen wie im Kindergarten. Nur in den Pausen. Und Spielzeug darf man nur an einem Tag mitbringen. Das will ich nicht. Ich möchte lieber im Kindergarten bleiben. Ich will deswegen auch nicht älter werden. Schreiben und Rechnen kann ich eh schon. Aber jetzt habe ich Schnupfen. Und wenn ich morgen noch krank bin, dann bleibe ich Zuhause.
Du bist bestimmt bald wieder gesund. War Deine Mama auch schon mal krank?
Ja.
Und was machst Du dann?
Nix!
Gar nichts?
Ich rufe den Krankenwagen.
Und wenn sie nur einen Schnupfen hat?
Dann bin ich besonders lieb.
Gehst Du gerne in den Kindergarten?
Ja! Wir spielen da und gehen in die Turnhalle. Einmal konnte ich nicht mitmachen, weil ich keine Turnsachen hatte. Aber jetzt habe ich welche. Ein T-Shirt mit Minni Maus in Orange, und unten ist es Pink. Soll ich Dir das zeigen?
Später, wir müssen erst hier fertig werden. Erzähl mir noch mehr vom Kindergarten. Wie viele Kinder sind denn da?
Na gut. 18 Kinder sind wir. Da ist alles schön. Da sind meine Freunde: Leonie, Finchen und Alina. Mit denen spiele ich immer. Ich will da morgens immer hin. Und nachmittags will ich da bleiben. Aber Zuhause ist es auch schön.
Gibt es da Kinder, die nicht nett sind?
Nein!
Und Du bist auch immer lieb und nie böse zu den anderen?
Nein! Ich bin immer lieb.
Ach komm. Das kannst Du mir ruhig erzählen. Ist doch nicht schlimm.
(Marla zögert kurz, spricht dann leiser und ein bisschen verschwörerisch) Auf den Nick bin ich immer böse. Der schubst mich und haut mich immer. Der ist gemein. Obwohl ich größer bin als er. Ich habe auch schon gesagt, er soll das nicht machen. Macht er aber trotzdem.
Und was machst Du dann?
Ich haue zurück! Ich habe das auch schon den Erwachsenen im Kindergarten gesagt, aber die sagen, ich soll mich wehren. Also haue ich zurück.
Warum macht der Nick das? Mag er Dich nicht?
Doch, der Nick mag mich. Deswegen macht der das ja. Der haut auch niemand anderen. Nur mich ... na gut, manchmal schubst er auch andere. Und ich haue ja auch zurück. Aber nicht feste. Außer wenn er mich sehr feste haut.
Sprechen wir über was anderes. Hast Du ein Lieblingstier?
Katze! Ich kriege auch bald eine Katze oder einen Hund. Und ich möchte ein Pony haben. Ich weiß aber noch nicht wie die heißen sollen. Die Katze soll weiß sein und der Hund braun, weiß und schwarz. Meine Lieblingsfarben sind auch Schwarz, Pink, Orange und Weiß. Dann füttere ich die Katze und den Hund, gebe denen zu trinken und gehe mit ihnen Gassi.
Auch mit der Katze?
Ja. Das geht. Wie mit einem Hund. Vielleicht kriege ich auch beides.
Und was machst Du, wenn Dein Hund und Deine Katze mal krank sind?
Dann bringe ich sie zum Tierarzt. Ich möchte auch Tierärztin werden.
Warum?
Weil ich dann kranken Tieren helfen kann. Das macht mich glücklich.
Das ist ein schöner Grund. Gibt es auch etwas, was Dich so richtig wütend macht?
Ich weiß nicht. Vielleicht wenn Sachen einfach weg sind. Das finde ich blöd.
Können wir jetzt eine Geschichte lesen?
Ich zeige Marla meine alten Kinderbücher, die ich ihr mitgebracht habe.
Kennst Du einige von den Geschichten?
Ja! Das ist Schneewittchen, das ist Aschenputtel (Marla blättert durch das Buch und zeigt auf die Bilder) Wer hat denn einfach in die Bilder reingemalt?
Das war ich, als ich so alt war wie Du.
Marla zieht skeptisch die Augenbrauen hoch. Weißt Du, wie das Märchen heißt? Mit den Feen und dann sticht sie sich und schläft ganz lange.
Ich komm' nicht drauf. Wie heißt das Märchen?
Dornröschen!
Sollen wir das lesen? Oder etwas, was Du noch nicht kennst?
Nein. Ich möchte Schneewittchen hören.
Also lesen wir Schneewittchen. Marla assistiert mit ihrem magischen Zauberstab, der ab und zu mysteriös klingende Geräusche von sich gibt.
„...und sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende“. Und, hat es Dir gefallen?
Ja, aber ich kenne das ganz anders. Das geht nämlich noch viel weiter! Schneewittchen stirbt noch öfter, ich glaube drei Mal. Aber am Ende lebt sie. Und ist glücklich.
Wen magst Du aus der Geschichte am liebsten? Die böse Stiefmutter?
Nein, Schneewittchen mag ich am liebsten.
Dann haben wir es jetzt auch geschafft. Dankeschön Marla, dass Du Dich so lange mit mir unterhalten hast.
Können wir denn jetzt endlich Hühnchen mit Reis essen?
Lesen Sie weitere Artikel
zum Thema auch unter: choices.de/thema und engels-kultur.de/thema
Aktiv im Thema
vorbildsein.de | Kampagne der Württembergischen Sportjugend. Trainern und anderen Aktiven hilft ein „Selbstcheck“, die eigene Vorbildrolle besser zu verstehen
kindergartenpaedagogik.de | Der Pädagoge Martin R. Textor versammelt im Kita-Handbuch online Beiträge über Kleinkinder- und Kinderpädagogik.
du-bist-wertvoll.info | Vom Bund gefördertes Projekt. Online-Selbsttests fragen, wie es um die eigenen Werte bestellt ist.
Thema im November: FRAU LUTHER
Wandel im Gottesbild, Wandel im Frauenbild?
Kirchenwächterin ja. Bischöfin nein? Wie viele Reformatorinnen kennen Sie? Schreiben Sie uns unter meinung@trailer-ruhr.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Kleine Tyrannen mit großen Gefühlen
Werden Kinder zu Soziopathen? – THEMA 10/17 KINDERSEELEN
Von Kniebeißern und Zaubermäusen
Vertrauensvoll aufeinander zukrabbeln. Auch, wenn auf dem Spielplatz schonmal ein Stock geschwungen wird – Thema 10/17 Kinderseelen
„Wichtig ist, dass es auch kleine Bühnen gibt“
Kulturwissenschaftlerin Simone Egger über die gesellschaftliche Rolle von Kunst und Kultur – Teil 1: Interview
„Anonymität ist das, was Großstadt ausmacht“
Soziologe Daniel Kubiak über gesellschaftliche Vielfalt in der Großstadt – Teil 2: Interview
„Eine Stadt muss eine Idee haben“
Zukunftsforscher Klaus Burmeister über zukunftsfähige Städte – Teil 3: Interview
„Es ist absurd, zu meinen, das Auto wäre alternativlos“
Architekt Philipp Oswalt über die Verkehrswende im ländlichen Raum – Teil 1: Interview
„Warum sollten Fußgänger auf Autos Rücksicht nehmen?“
Stadtplaner Helge Hillnhütter über gute Fußwege – Teil 2: Interview
„Alle wollen jetzt Radverkehrskonzepte“
Verkehrsexperte Peter Gwiasda über Radfahren in und außerhalb der Stadt – Teil 3: Interview
„Lernen darf kein Selbstzweck sein“
Lernexperte Benjamin Jaksch über lebenslanges Lernen und berufliche Weiterbildung – Teil 1: Interview
„Kinder sind heute unglücklicher denn je“
Psychologe Rüdiger Maas über Erziehung, Digitalisierung und Konsum – Teil 2: Interview
„Sich körperlich relativ lange gut fühlen können“
Volkswirt Karlheinz Ruckriegel über Glück im Alter – Teil 3: Interview
„Menstruation ist keine Wahl“
Claudia Ulferts vom Plan International über Periodenarmut – Teil 1: Interview
„Uns wurde weisgemacht, unser Blut sei etwas Schmutziges“
Unternehmerin Bettina Steinbrugger über die Tabuisierung der Menstruation – Teil 2: Interview
„Der 28-Tage-Zyklus ist eine Erfindung der Industrie“
Anja Moritz von der Endometriose-Vereinigung Deutschland über den Umgang mit Menstruation – Teil 3: Interview
„Einfamilienhäuser müssen wir ablehnen“
Landschaftsarchitektin Simone Linke über Städte im Klimawandel – Teil 1: Interview
„Die Betonindustrie verändert sich“
Felix Jansen (DGNB) über Hindernisse auf dem Weg zu nachhaltigem Bauen – Teil 2: Interview
„Man kann Nullkosten entstehen lassen“
Permakultur-Gärtnerin Hannelore Zech über das Konzept der Selbstversorgung – Teil 3: Interview
„Berichterstattung beeinflusst politische Entscheidungen“
Journalismusprofessor Kim Otto über den Wandel im Wirtschaftsjournalismus – Teil 1: Interview
„Um den Armen zu geben, braucht man nicht das Geld der Reichen“
Ökonom Maurice Höfgen über Staatsfinanzierung und Wohlstand – Teil 2: Interview
„Eindeutig ein Defizit bei der Demokratiebildung“
GEW-Vorsitzende Maike Finnern über gerechte Schulbildung – Teil 2: Interview
„Die Crux liegt in der Lohnstruktur“
Ökonomin Friederike Spiecker über Ursachen und Bekämpfung von Armut – Teil 3: Interview
„Das erscheint dramatischer, als es wirklich sein dürfte“
Politologe Herfried Münkler über eine neue Epoche internationaler Friedensordnung – Teil 1: Interview
„Höflich in der Form, hart in der Sache“
Jurist Matthias Hartwig über Wandel in der Diplomatie – Teil 2: Interview
„Die Situation Russlands wird sehr genau beobachtet“
Politologe Stephan Klingebiel über die Wirkung von Wirtschaftssanktionen – Teil 3: Interview
„Die wohl größte Krise, vor der wir stehen“
Ökologe Klement Tockner über die Bedeutung der Artenvielfalt – Teil 1: Interview