Der Schutz der Jugend vor der Leinwand, also in der Öffentlichkeit, ist genau geregelt. Kinder, die ins Kino wollen, müssen nicht nur die Altersfreigaben befolgen, sondern auch bestimmte Zeiten, zu denen Filme beginnen oder enden, einhalten, zumindest dann, wenn sie allein unterwegs sind. Dass bei deutscher Gründlichkeit und Schutz von Kindern diese auch bei der Arbeit vor der Kamera oder für die Leinwand umfänglich geschützt werden, versteht sich von selbst. Neben dem Jugendarbeitsschutzgesetz, das die Arbeitszeit je nach Alter nach oben begrenzt, sind auch noch die Ausführungsvorschriften über Beurlaubung und Befreiung vom Unterricht zu befolgen, wenn man mit jugendlichen Darstellern einen Film drehen möchte. In einem der für die Produktion von Filmen wichtigsten Bundesländer, in Berlin, hat der dortige Senat eine Unterrichtsbefreiung nur noch in wichtigen Gründen zugelassen. Unter diese wichtigen Gründe fielen Rundfunk und Filmaufnahmen explizit nicht. Der Sturm der Entrüstung, der von den dort arbeitenden Produzenten ausging, sorgte für eine etwas weichere Auslegung, aber die Einmischung der Jugendämter ist wesentlich.
Der nachvollziehbare Wunsch, Kinder in ihrer Entwicklung zu fördern und sie nicht durch kommerzielle Interessen von wem auch immer Arbeiten zu unterwerfen, kollidiert hier nicht nur mit dem Wunsch von Jugendlichen, in Filmen mitzuwirken, sondern auch mit dem zunehmenden Erfordernis, auch kindgerechte Stoffe in Film und Fernsehen zu verarbeiten. Kindgerecht sind die Stoffe vor allem dann, wenn Identifikationsfiguren für jugendliche Zuschauer vorhanden sind und die Welt für Kinder sich nicht nur in Zeichentrick erschöpft. In den alten Kinder- und Jugendfilmen wie z.B. Erich Kästner-Verfilmungen wurde immer die beeindruckende Schar von Kindern bewundert. Solche Massenszenen sind heute fast nicht mehr finanzierbar, da mit Kindern stets nur halbe Drehtage gearbeitet werden darf. Für jede Altersstufe ist geregelt, wie viele Stunden sie wirklich vor der Kamera stehen und wie viele Stunden sie am Set verbringen darf. Begleitet werden die Kinder von einer pädagogischen Fachkraft. Da Vertreter von Jugendämtern regelmäßig Kontrollbesuche bei den Dreharbeiten machen, sind die auf Jugendfilme spezialisierten Produzenten dazu übergegangen, Befürchtungen zu zerstreuen, indem sie den Kindern auch Nachhilfe angedeihen lassen und für Ablenkung und Entspannung zwischen den Drehs sorgen. All dies macht die Produktionen deutlich teurer, weil neben zusätzlichen Drehtagen auch besonders hohe Reisekosten für Eltern, Betreuer usw. hinzukommen. Ein beträchtlicher bürokratischer Aufwand, der dem Schutz der Kinder geschuldet ist, macht Filme mit Kindern ebenfalls aufwändig. So müssen Kinder und Eltern schon beim Casting über den Umfang der Dreharbeiten informiert werden. Die Eltern müssen Unbedenklichkeitsbescheinigungen von Lehrern und Schulleitern, dem Kinderarzt und dem Jugendamt vorlegen, und die Produktionsfirma muss diese Bescheinigungen beim Staatlichen Amt für Arbeitsschutz vorlegen und einen entsprechenden Antrag auf „Beschäftigung Minderjähriger bei Filmaufnahmen“ stellen. Kinder zwischen sechs und 15 Jahren dürfen maximal 3 Stunden am Tag drehen und 5 Stunden am Set sein. Währenddessen sind sie pädagogisch zu betreuen, und Ruhebereiche müssen vorhanden sein. Bei Filmen mit Jugendlichen behelfen sich einige Produzenten damit, dass sie ältere Schauspieler, die jünger aussehen, beschäftigen und somit etwas flexibler sind. Ideal sind eineiige Zwillinge, die quasi das Gegenstück zur Doppelrolle sind. Allein: Bei das Doppelte Lottchen funktioniert das nicht.
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