Ende der 1980er Jahre war das elitäre Publikum in Salzburg enthusiasmiert: Ein junger amerikanischer Bariton, u.a. Schüler von Elisabeth Schwarzkopf, gab seinen Einstand mit einem Liederabend. Das deutsche Lied ist so deutsch, dass selbst in den USA das Lied Lied heißt, eine Sprachspezialität wie Kindergarten oder Rucksack. Und damit besonders für Artikulationsfanatiker wie Elisabeth Schwarzkopf ein patriotisches Heiligtum. Besonders gern fremdländische Studenten schikanierte die große Pädagogin erbarmungslos bei Meisterkursen – auch in Köln – mit Konsonantenhärtegraden und Vokalfärbungen. Aber da sie den Sänger aus dem Staate Washington mit ihrer Gunst adelte und dieser bereits zuvor in Wien an der Staatsoper erfolgreich debütiert hatte, war der Liederabend im Konzertsaal des Mozarteums auch für die verwöhnten und kenntnisreichen Salzburger Festspielfreunde ein sommerliches Highlight. Der Abend endete mit großer Begeisterung über die Entdeckung einer unwahrscheinlich flexiblen warmen Baritonstimme, dazu noch ein stattlicher Kerl mit viel Kinn – das konnte nur gut enden.
Geendet hat es bis heute nicht. Zwar erreicht Thomas Hampson just das amtliche Rentenalter, aber für einen Künstler zählt das biologische Alter nur auf dem Papier. Im vergangenen Herbst stand er noch als Graf Danilo in Franz Lehárs Erfolgsoperette „Die lustige Witwe“ auf der Bühne der Opéra national in Paris. Denn Hampson hat wie die meisten seiner Landsleute keine Berührungsängste mit der leichten Muse. Er singt alles, was er für gut befindet, das kann Musical, Jazz oder halt auch Operette sein. Und der gelehrte Künstler weiß: „Die Melodien sind zwar zugänglich und schön. Aber das Repertoire ist sehr schwer zu singen.“
Wenn er jetzt in der Kölner Philharmonie einen reinen Operettenabend mitgestaltet, umgeben ihn absolute Topstars der aktuellen Szene, die alle auch gefragte Solisten auf den reinen Opernbühnen sind. Das gilt natürlich besonders für Annette Dasch, die ebenfalls in Wien und auch in Bayreuth gefeiert wurde. Seit zehn Jahren moderiert sie ihre eigene Talkshow „Annettes DaschSalon“, sie blickt halt gern mal über den Tellerrand. Jetzt zur Operette, vor der sie den Hut zieht: „Was so locker daher kommt, mit Witz, aber auch mit Leidenschaft, verlangt viel von einem.“ Am ehesten als Spezialist erscheint der dritte im Bunde, der polnische Tenorstar Piotr Beczala, der um die ganze Welt reist. Er hat vor einiger Zeit dem legendären Operntenor Richard Tauber ein ganzes Album gewidmet. Und er weist gern auf die pädagogischen und geradezu heilsamen Kräfte der leichten Muse hin: „Ich singe besser Oper, wenn ich zuvor Operette gesungen habe.“ So schmettert Piotr die Motto-Arie des ganzen Abends, die wir Franz Lehár verdanken: Freunde, das Leben ist lebenswert!
Operettenabend mit Annette Dasch, Piotr Beczala und Thomas Hampson, der Philharmonie Baden-Baden, Dirigent: Pavel Baleff | So 18.2. 20 Uhr | Kölner Philharmonie | 0221 280 280
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