Es hat sicherlich zehn Jahre gedauert, bis auch in Deutschland ein Trend zu erkennen war und ist, dessen Vorläufer im Angelsächsischen wurzelt und dort so schöne Namen wie „Gold Class“ oder „Premium Cinema“ trägt. Gemeint ist eine Sonderbehandlung für das zahlungskräftige Kinopublikum. War früher Kino noch eine audiovisuelle Grundversorgung ohne Klassenunterschied, bildeten sich mit der Konkurrenz zu anderen Medien bald auch Ausstattungsmerkmale heraus, die mit Komfort und immer wieder technischen Neuerungen der Besucherabwanderung Einhalt gebieten sollten. Die Bandbreite der Eintrittspreise blieb dennoch relativ eng und ein Kinobesuch somit ein preiswertes Volksvergnügen. Nun werden auch hierzulande diejenigen, die das Besondere suchen, und die zahlungskräftige Klientel ins Visier genommen.
Vor wenigen Jahren stieß Achim Flebbe, der Anfang der 90er Jahre mit dem Bau hochwertiger Multiplexe unter dem Markennamen CinemaxX einen der wichtigsten Impulse gab, einen hierzulande neuen Trend an: Deluxe Kinos. Nicht, dass er damit der Erste oder gar der Erfinder gewesen wäre – denn es gab bereits einige erfolgreiche Vorläufer. Aber er erzeugte die größte Aufmerksamkeit und Nachahmer. Das Konzept ist ebenso einfach wie einleuchtend: Überbiete beim Kinoerlebnis alles Bisherige! Es wurden die bequemsten Kinosessel mit Fußbank und verstellbarer Rückenlehne aus Leder eingebaut, die Speisekarte hält kleine Snacks, Weine und Champagner bereit, es gibt eine bewachte Garderobe, und mit Anmeldung wird einem das Auto vor dem Kino abgenommen und sicher eingeparkt. Zur Begrüßung gibt es auch mal einen Aperol Spritz in der meist klassischen Atmosphäre alter Kinopaläste, die allerdings alle technischen Finessen bereithalten. Der Luxus hat seinen Preis, die Karte allein kostet rund 15 bis 17 Euro (Überlänge und 3D kommen noch extra dazu), die kulinarischen Vergnügungen provozieren leicht das Vielfache davon, aber im Zweifel tun es auch ein erstklassiger Espresso und ein Softdrink.
Den Auftakt bildete die Astor Filmlounge gegenüber des Cafe Kranzler am Ku’damm in Berlin. Seit diesem Erfolg sucht Flebbe in vielen Städten nach geeigneten Premium-Standorten. Im Frühsommer eröffnete Flebbe die Astor Filmlounge im Kölner Residenz-Kino, einem alten Filmpalast am Ring, in dem in den letzten Jahren unter anderem Oliver Pocher derbe Scherze machte. Nun ist es den Film- und Kinoliebhabern nach einer rund 4 Mio. umfassenden Investition zurückgegeben worden. Mittlerweile steigen auch andere Betreiber ein und es folgen weitere Kinos zunächst in den Großstädten Frankfurt und München, aber auch Umwandlungen bestehender Säle in größeren Centern zu Premium-Sälen werden geplant. Die Hersteller hochwertiger Kinosessel freuen sich über die zunehmende Nachfrage.
Ein großes Hemmnis begleitet jedoch diese unternehmerisch wagemutigen Entscheidungen: Durch die prozentuale Beteiligung der Filmverleiher am Eintrittspreis profitieren diese von den erhöhten Ticketpreisen, während sie sich aber keineswegs an den deutlich höheren Personal- und Investitionskosten beteiligen. So muss jeder Deluxe-Kinobetreiber mit jedem Verleiher individuell darüber verhandeln, wie der Eintrittspreis so geteilt wird, dass die atypisch hohen Kosten amortisiert werden können.
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