Das erste trailer-Literatur-Portrait im Jahr 2009 stellte die umtriebige Kabarettistin und Krankenhaus-Clownin Fritzi Bender als Kinderbuchautorin vor. Mit ihrem Buch „Balduin bleibt grün“ hat die Autorin seitdem ausgedehnte Lesereisen hinter sich und auch eine Förderung durch das Kultursekretariat NRW erhalten. Nun steht die Präsentation eines neuen Kinderbuches an, mit der Fritzi Bender gleichzeitig eine neue Reihe für Kinderliteratur im Bochumer Bahnhof Langendreer eröffnen wird. „Prinzessin Blubberbauch“ heißt die Hauptfigur dieses Buches, die mit ihrem sehr unprinzessinnenhaften Pupsen das Allesleckerland vor arge Probleme stellt. Auf die Frage, wie diese Idee gereift ist, gibt die Autorin sehr bereitwillig Einblick nicht nur in ihre Schreibstube: „Also eigentlich bin ich, muss ich ja gestehen, selber ein bisschen eine Prinzessin Blubberbauch ... Der Titel entstand, als ich ins Bett ging und mal wieder ’nen mächtigen Blubberbauch hatte und ich dann meinte: ‚Mannomann, ich bin echt so ’ne Prinzessin Blubberbauch!’ Also wie ‚die Prinzessin auf der Erbse’ ... Und dann konnte ich nicht mehr einschlafen, weil mir der Name als Buchtitel nicht mehr aus dem Kopf ging. Also bin ich irgendwann an den Computer und habe bis zum Morgengrauen dieses neue Märchen aufgeschrieben, erst dann konnte ich schlafen.“ Mit ihrer Geschichte, die in einem Land spielt, in dem süße und fettige Gerichte den Speiseplan beherrschen, möchte Fritzi Bender allerdings keinesfalls eine Doktrin für gesunde Ernährung verfassen. „Tatsächlich ist es so, dass ich auch über lange Jahre erst herausfinden musste, was ich gut vertrage und was nicht, und immer noch öfter mit einem Blubberbauch zu kämpfen habe. Bei meiner Suche nach dem ‚Warum‘ habe ich dann festgestellt, dass es so etwas Pauschales wie ‚Das darf ich gar nicht essen, weil ich davon immer einen Blubberbauch bekomme’ für mich persönlich nicht gibt. Vielmehr gibt es Nahrungsmittel, die ich meist gut vertrage, und andere Nahrungsmittel, die ich nicht so gut vertrage – aber das kann durchaus auch Tagesform-abhängig sein. Und es kann sogar damit zusammenhängen, wie es mir an dem Tag gerade gefühlsmäßig geht: Wenn ich fröhlich bin, vertrage ich wirklich fast alles, wenn ich hingegen einen weniger guten Tag hatte, dann kann mich die Verdauung ganz schön quälen. Manchmal denke ich dann, dass ich an so einem Tag doppelt verdauen muss: schwere Gefühle und die Nahrung. Da kann ich verstehen, dass mein Bauch rumort!“
Ohne erhobenen Zeigefinger
Wer Fritzi Benders Lebenslauf im Hinterkopf hat, wundert sich nicht darüber, dass sie nach Wegen sucht, auch ernste Themen mit Augenzwinkern anzugehen: „Ich selber finde ja, dass alle Themen immer leichter ‚verdaulich’ sind, wenn man mit Humor daran geht, ganz egal was es ist ... In unserem Kabarett Abendprogramm ‚Stutenbissig Richtung Wechseljahre’ sind es ja durchaus auch ernste Themen, die Suse und ich da ‚behandeln’, es geht ja immerhin ums Thema Wechseljahre. Und trotzdem ist natürlich das Ziel, dass die Leute über uns und die Themen und dann vielleicht sogar auch über sich selber lachen können. Im Krankenhaus als Klinikclowns kommen wir öfter mal in Zimmer, wo den Eltern und Kindern gerade eher gar nicht zum Lachen zumute ist. Wenn wir dann etwas finden, wo die Eltern und Kinder trotzdem drüber lachen können, dann ist das einfach herrlich befreiend und macht die Schwere tatsächlich etwas leichter ... Und ich hoffe, genau so ist das auch mit meinen Büchern. Wenn die Kinder und vielleicht auch die Eltern Spaß haben und lachen können über die Themen, die Figuren und über das, was passiert, so kann jeder, wenn er mag, ja ein bisschen die eigene Wahrheit in der Komik suchen und finden. Ganz ohne Moral, Zeigefinger und Co.“ Unwichtig ist ihr eine Botschaft in ihren Kinderbüchern dabei keinesfalls: „Da ich grundsätzlich für mich herausgefunden habe, dass es so etwas wie eine pauschale Wahrheit vermutlich ebenfalls gar nicht gibt, so kann die ‚Moral’ in meinen Augen eben auch nicht pauschal sein, sondern sie soll nur als eine Anregung oder Botschaft rüberkommen. Die Leser können schauen: ‚Ja, wie ist das eigentlich bei mir mit dem Thema?’ Bei ‚Balduin bleibt grün’ steht die Frage nach dem ‚Warum‘ ja im Vordergrund. Bei den kleinen Lesern stellt sich dann vielleicht durch das Lesen des Buches die Frage bei unterschiedlichen Themen: ‚Ja, warum muss ich das denn eigentlich immer so machen?’, und bei den großen Vorlesern stellt sich vielleicht ebenfalls die Frage: ‚Ja, warum machen wir das eigentlich immer so?’ Ich habe als Kind häufiger den Satz gehört: ‚Das machen wir so, weil man das eben so macht!’ Damals fand ich das selber sehr unbefriedigend; aber ich merke auch, dass man als Erwachsener schnell so etwas sagt, weil man ja die Gründe, wieso das so gemacht wird, im Allgemeinen kennt und daher als bekannt voraussetzt. Manchmal ist es gut, dass man das genau so macht, aber manchmal ist es auch total ‚verstaubt’ oder sogar unsinnig. So können Klein und Groß im Idealfall über die Balduin-Geschichte tatsächlich miteinander ins Gespräch kommen. Dann kann auf Kinder- und Erwachsenenseite entweder der Grund noch mal ins Gedächtnis geholt und verstanden werden, wieso das immer so gemacht wird und auch gut so ist, oder aber gemeinsam ein neuer Weg gefunden werden. die Dinge zu machen. Bei der Prinzessin Blubberbauch hingegen geht es um die Frage: ‚Ja, wie ist das bei mir eigentlich? Was vertrag ich denn vielleicht nicht?’ Da ich eben festgestellt habe, dass das Vertragen und Nichtvertragen von Nahrung ein sehr individuelles Thema ist, war mir hier ebenfalls wichtig, nicht pauschal zu werden. Man könnte man ja sagen: ‚Süßigkeiten und fette Nahrungsmittel sind schlecht!’ Stimmt aber so nicht. In dem Buch im Allesleckerland vertragen mit Ausnahme der Prinzessin alle Bewohner des Landes diese Nahrung. Aber es profitieren am Ende des Buches auch alle Bewohner des Allesleckerlandes und nicht nur die Prinzessin von der Vielseitigkeit der hinzukommenden Nahrungsmittel durch die angrenzenden Länder. Es gibt Menschen, die brauchen viel Zucker und viel Fett, damit deren Körper gut funktioniert, andere leiden unter dem Zuviel davon und bekommen Blähungen und Blubberbäuche. Manche Menschen brauchen viele warme Speisen, um gesund zu sein und sich wohl zu fühlen, und vertragen kalte Speisen nicht so gut. Wieder andere können den ganzen Tag Salat essen und fühlen sich damit fit – eben sehr individuell. Das Buch sollte im Idealfall eine Anregung geben, auf das Thema Nahrung zu schauen und sich zu fragen ‚Wie kann ich dafür sorgen, dass es mir gut geht?’“
Die Zeit fehlt
Auch wenn Fritzi Bender mittlerweile ihr zweites Kinderbuch veröffentlicht und noch eine Menge Ideen in der Schublade hat, hat das Schreiben nur bedingt einen festen Platz in ihrem Arbeitsalltag eingenommen: „Da ich ja nun regelmäßig Lesungen machen darf, ist es ein wichtiger Bestandteil meines Berufes geworden, als Kinderbuchautorin unterwegs zu sein. Ich würde allerdings schon gerne mehr Zeit zum Schreiben haben. Ich finde es aber tatsächlich schwer, das Schreiben in den normalen Alltag zu integrieren. Die Ideen zu Buchtiteln und manchmal auch zu einer Handlung, die kommen mir oft einfach zwischendurch, und dann werden sie fix aufgeschrieben und abgespeichert. Und manchmal werden Geschichten auch zu komplett unmöglichen Zeiten geboren, gerne nachts oder abends, dann schreib ich sie, wenn irgendwie möglich, direkt auf. Aber so eine Geschichte muss ja auch gefeilt und korrigiert werden, und das braucht insbesondere Ruhe und Zeit. Ich habe mir jetzt ganz neu vorgenommen, immer einmal im Jahr eine Schreibwoche zu machen, wo ich mich nur um die Manuskriptideen kümmere, mal sehen, wie das so klappt.
Das Bild zum Buch
Prinzessin Blubberbauch wurde von einer anderen Illustratorin bebildert als Balduin: „Der Verlag hat mir drei verschiedene Illustrationsvorschläge gemacht und ich durfte aussuchen, welcher Stil mir am meisten zusagt. Natürlich hatte der Verlag das letzte Wort, aber das Schöne war, dass wir uns schnell einig waren. Das hat in der gesamten Zusammenarbeit überhaupt wunderbar geklappt. Die Illustratorin Sabine Sauter mit dem Künstlernamen ‚Illubine’ war die gemeinsame Wahl. Die Illustratorin hatte bei der Umsetzung aber – soweit ich weiß – zunächst ganz freie Hand. Nur an wenigen Stellen im Buch hatte ich vermerkt, dass ich hier eine Illustration schön fände. Ich bin sehr zufrieden mit dem Endresultat. Ich finde es, ist der ‚Illubine‘ sehr gut gelungen, das Märchen frech zu bebildern, und auch die Endumsetzung des Buches von Seiten des Verlages find ich richtig klasse. Besonders gut gefällt mir das Cover mit der Glitzerkrone – und dass das Buch auch innen bunt ist.
Bochum, ich schreib in dir …
Auf die Bochumer Lesung freut sich die Autorin besonders, denn „in Bochum wohne ich, und in Bochum fühl ich mich inzwischen auch nach 17 Jahren zu Hause. Ich sehe mich also als Bochumer Kinderbuchautorin. Außerdem ist in Bochum genialerweise auch der Bobo-Verlag, in dem das Buch erschienen ist. So wurde das Buch in Bochum geschrieben und liebevoll von allen Seiten (Verlag, Illustratorin und Autorin) geboren. Außerdem habe ich in Bochum natürlich auch viele Freunde und Bekannte mit Kindern und mag außerdem die netten Veranstalter vom Macondo Magazin und den Bahnhof Langendreer. Es ist also rundum, wie ich finde, ein idealer Ort für die Buchpremierenlesung – so nenne ich das jetzt, weil das Buch präsentiert wird, eine Lesung damit stattfindet und außerdem ein bisschen die Premiere des Buches und der Lesungsreihe gefeiert wird.
Der eifersüchtige Erstgeschriebene
Das Chamäleon Balduin führt als Handpuppe auch außerhalb des Buches ein spannendes Dasein voller Lesungen mit seiner Erfinderin und Begegnungen mit Kindern. Da liegt es auf der Hand zu fragen, ob Balduin auf die Konkurrenz ein wenig neidisch ist. „Sind das Geschwisterbücher nicht immer ein bisschen? Jedenfalls mag er die Prinzessin sehr und umgekehrt genauso. Natürlich ist ihm jetzt der Rummel um seine Schwester nicht so recht, aber er trägt es mit chamäleongeduldiger Fassung. So als Büchermutter kann ich auch schwer sagen, ob eines der beiden Bücher mein Lieblingsbuch ist ... sie sind ja doch sehr unterschiedlich. Und der Balduin hat ja auch noch andere Geschichten von sich zu erzählen, die zwar noch nicht als Bücher, aber inzwischen bereits als Manuskripte existieren. Vielleicht ändert sich das ja bald, wer weiß …“
Lesetipps
Auf ihre Berührungspunkte zu anderen Autoren angesprochen gerät Fritzi Bender schnell ins Schwärmen: „Welche Autorin ich zurzeit unheimlich schätze und die ich bei einer Lesereise kennenlernen durfte, ist Anne C. Voorhoeve. Sie ist sehr nett und, wie ich finde, eine tolle Schriftstellerin! Ich habe ihr Buch ‚21. Juli‘ gelesen und war komplett mitgerissen. Auch die Geschichte ‚Lilly unter den Linden’ von ihr ist sehr schön. Es geht in ihren Büchern eigentlich immer um die Beleuchtung der etwas schwierigeren Themen unserer (deutschen) Vergangenheit. Das ist zwar etwas härterer Stoff, aber sie schafft es tatsächlich, unsere Vergangenheit kindgerecht bzw. jugendgerecht und vor allem nicht schwarz-weiß zu bearbeiten. Ich habe danach immer das Gefühl, verstanden zu haben, wie manche Dinge geschehen konnten.“ Doch auch für kleinere Bücherwürmer hat Fritzi Bender einen Tipp bei der Hand: „Ein tolles, schlaues und sehr lustiges Bilderbuch ist das Buch ‚WUM und BUM und die Damen DING DONG‘ von Brigitte Werner mit Illustrationen von Birte Müller – das hätte ich gerne selber geschrieben …“
Fritzi Bender: Prinzessin Blubberbauch I Bobo Verlag I 14,50 Euro
Bruchpremierenlesung mit Leckereien I Sa 4.5. 16 Uhr I Bahnhof Langendreer, Studio 108, Bochum I 0234 687 16 10
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