Die anstehende Digitalisierung der Kinobranche wird im Wesentlichen getrieben durch die Einsparungsmöglichkeiten für Filmverleiher, die bei rund 900 € pro Kopie liegt. Doch neben dieser Einsparung durch diese neue Technologie ergeben sich auch für die Zuschauer und Kinos völlig neue Möglichkeiten. Alles was jenseits des Spielfilms im Kino ausgewertet werden kann, wird unter dem Begriff Alternativer Content zusammengefasst. Findige Kinomacher haben bereits einige der Möglichkeiten sondiert und beginnen damit, nicht nur alternative Inhalte, sondern auch alternative Erlösquellen mit der neuen Technologie zu erschließen.
Besonders erfolgreich laufen derzeit die Übertragungen aus der Metropolitan Opera New York. Diese Liveübertragungen, die in New York am Vormittag stattfinden, sind durch den Zeitverzug in Deutschland am späten Nachmittag und Abend zu sehen. Die zum kleinen Imperium von Herbert Kloiber (CinemaxX, Tele 5, Concorde-Verleih) gehörende Classart verwertet die Opernrechte in Deutschland. Die mit hochrangigen Sängern besetzten Opern erfreuen sich in Deutschland großer Beliebtheit. 300 bis 400 Gäste pro Vorstellung sind in größeren Städten keine Seltenheit, und es ist ein völlig neues Publikum, das sich hier zu einen Eintrittspreis von rund 25 € im Kino einfindet.
Doch auch TV-Übertragungen großer Sportereignisse wie Formel 1, Fußball, aber auch lokale Veranstaltungen sind mit der neuen Technik problemlos möglich. Filme, für die ein breiter Kinostart nicht wirtschaftlich tragfähig ist, erleben eine kleine Kinopremiere, dann aber mit hochauflösenden DVDs. Horrorfilme, Reisefilme, Naturdokumentationen und vieles mehr lassen sich zu besonderen Terminen auswerten.
Das Thalia Kino in Potsdam geht noch einen Schritt weiter. Jeden Samstagvormittag kann man dort den Saal für 100 € mieten und die vorhandene digitale Projektionstechnik nutzen. Familienfilme, selbstgedrehte Filme werden dort ebenso von bis zu 25 Personen genutzt wie auch das Spielen von Video Games auf der großen Leinwand. Mittels drahtloser Übertragung können die Kinobesucher ihre immer realistischer werdenden Spiele auf der X-Box oder der PSP auf der großen Leinwand spielen. Und manche Besucher bringen lediglich ihre Lieblings-DVD mit, um diese einmal ungestört im Großformat sehen zu können. Der Bereich der Spiele, Leinwand-Gaming genannt, sucht sich allmählich auch professionelle Einsätze. Das durch das Wegbrechen von Leinwandwerbung entstehende Zeitfenster kann für intelligente Spiele als Vorprogramm eingesetzt werden. Die werbetreibende Industrie beginnt, diese Möglichkeiten zu nutzen, um innerhalb dieser 5 bis 10 Minuten dauernden Spiele auch Werbebotschaften unterzubringen. Durch die aktive Teilnahme der Besucher können mittels Kameras und Mikrofonen Bewegungen und zum Beispiel auch Rufen oder Klatschen als Impulse für den Fortgang der Geschichte herangezogen werden. Auch das Handy soll künftig als Spielbedienung zu nutzen sein. Damit wird das Kino interaktiv, und bereits erste Versuche in Hollywood, auch die Filmhandlung von den Besuchern beeinflussen zu lassen, werden gestartet. Doch im Bereich der Spielfilme haben Tests ergeben, dass nur ein geringer Teil des Publikums daran interessiert ist, die Geschichte selbst zu beeinflussen. Die Qualität eines Drehbuches und der Ideenreichtum der Autoren stehen immer noch im Vordergrund, so dass der interaktive Spielfilm die Ausnahme bleiben wird. Insgesamt zeigt sich jedoch, dass die Digitalisierung völlig neue Möglichkeiten bietet und damit der Kreativität von Softwareentwicklern, Drehbuchautoren und Kinomachern einen deutlich größeren Spielraum eröffnet, als dies die Technik, beschränkt auf Filme, die in 35 mm vorliegen, vorgegeben hat.
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