 
		Bei Debütromanen erwartet man nichts weniger als einen großen Wurf, der zugleich Lust auf weitere Bücher macht. Den diesjährigen Bücherherbst läuten zwei Romane ein, denen dies auf bemerkenswerte Weise gelingt. Sie führen nicht nur eindrucksvoll vor Augen, wie sehr der Mensch auf eine Familie angewiesen ist. Beide Bücher liefern auch genug Gründe, um sich mit dem Werk der Autoren noch intensiver zu beschäftigen.
So wie es das auffällige Buchcover bereits andeutet, entfaltet Marius Hulpes Debütroman „Wilde grüne Stadt“ (Dumont) eine Geschichte, die wie ein Labyrinth zu verstehen ist. Im Mittelpunkt steht Reza, der als iranischer Agent des Shah-Regimes nach Westdeutschland geschickt wird, um in der Bundesrepublik zu spionieren. Er landet mitten in der westfälischen Provinz, verliebt sich in zwei junge Frauen und zeugt mit beiden auch Kinder. Ob nun die Revolution in Rezas Heimatland oder aber das Erleben des Rassismus – der Autor spart kaum ein Thema aus. Diese Fülle unterschiedlicher Diskurse, die das geschilderte Familienleben in ihrem Inneren belasten, macht aus dem vergleichsweise dicken Erstlingsroman ein komplexes Werk. Da der Autor nicht chronologisch erzählt, ist es nicht immer einfach, der Geschichte zu folgen. Die sprach- und bildgewaltige Ausdruckskraft, die Marius Hulpe schon als Lyriker unter Beweis gestellt hat, kann dieses Manko jedoch aufwiegen.
Auch Leslie Jamison hat sich bereits einen Namen im Literaturbetrieb gemacht. Ein Teil ihrer Bücher wurde in den vergangenen Jahren ins Deutsche übersetzt, nicht aber ihr durchaus starkes Romandebüt. Dies hat ihr deutscher Verlag nun nachgeholt. In „Gin Trailer“ (Hanser Verlag) erzählt die amerikanische Autorin von Stella. Nach dem Tod der Großmutter macht sie sich auf die Suche nach ihrer Tante Tilly, die nahezu verwahrlost in einem Wohnwagen lebt und den Kontakt zu ihrer Familie verloren hat. Stella fasst den Entschluss, ihr in dieser Situation zu helfen. Leslie Jamisons nun erschienenes Debüt ist weit mehr als nur das Porträt dreier Generationen von Frauen. Die Autorin entwirft in ihrem Roman auch ein Bild der amerikanischen Gesellschaft, das gerade die Schattenseiten schonungslos ausleuchtet. Da sie dabei immer wieder die Erzählperspektive wechselt, ist eine spannende Lektüre durchaus vorprogrammiert.
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