Seit 20 Jahren gehört Katja Riemann zu den großen Stars der deutschen Filmlandschaft. In Filmen wie „Rosenstraße“, „Ich bin die Andere“ oder „Der Verdingbub“ hat sie ihre Bandbreite gezeigt. Aktuell kann man sie im Kino in der Bernhard-Schlink-Adaption „Das Wochenende“ sehen.
choices: Frau Riemann, Sie sind in „Das Wochenende“ mit untypischer Frisur und ungewohntem Look zu sehen. War das eine Vorgabe durch den Roman oder das Drehbuch?
Katja Riemann: Nee, das war meine Idee. Ich bin eigentlich zu jung für die Rolle, und die Frage war, mit welchen Mitteln versucht man, das Alter zu erreichen. Daher sagte ich, wir müssen meinen Typ komplett verwandeln, das ist viel interessanter, als mir Gummimilch ins Gesicht zu reiben. Aber es ist nicht das erste Mal, dass ich mit derlei Mitteln arbeite: Bei den Filmen „Das wahre Leben“, „Verdingbub“ und „Relativitätstheorie der Liebe“ habe ich ebenfalls mit kompletter Verwandlung gearbeitet.
Hat Ihnen das geholfen, sich leichter in die Figur der Inga Lansky einzufinden?
Na ja, ich würde sagen: andersherum. Es gilt ja nicht nur sich einzufinden, sondern sie zu erfinden. Eine Figur muss man ja auch kreieren, und da gibt es innere wie auch äußere Mittel, da gibt es ein Auf-die-Figur-Zugehen und ein Die-Figur-an-sich-Heranziehen. Aus dem Konglomerat habe ich meine Inga entwickelt. Eine andere Schauspielerin hätte dieselbe Rolle sicherlich anders gespielt.
Haben Sie den Roman im Vorfeld gelesen oder sich sogar mit Bernhard Schlink darüber ausgetauscht?
Na klar habe ich den Roman gelesen. Ich habe für die Vorbereitung alles von Schlink gelesen, weil man ja nicht weiß, ob das vielleicht in irgendeiner Weise hilfreich sein könnte. Und ich habe tausend RAF-Filme und tausend RAF-Bücher gelesen, um sicher zu sein innerhalb des Umfeldes. Das hat aber nicht wirklich was für die Schauspielerei dieser spezifischen Rolle gebracht. Herrn Schlink durfte ich kennenlernen, als er uns einmal am Set besuchte.
Wie haben Sie selbst damals die RAF und ihre Aktionen wahrgenommen?
Ich war ein sehr kleines Kind zu Zeiten der RAF, aber ich erinnere mich an das Fahndungsbild, das bei uns in der Sparkasse hing und mit 10.000 DM ausgelobt war. Darauf waren Meinhof, Baader, Ensslin, Raspe nicht zu erkennen, aber sie waren es wohl. Später erinnere ich mich an die Nachrichten, die mit Bonn und Mogadischu eingeleitet wurden. Und die Politisierung, die vielleicht ausgelöst durch die RAF in meiner Generation entstand, die dann dazu führte, Häuser zu besetzen, sich auf die Startbahn West zu setzen oder auf Gleise, um gegen Gorleben zu protestieren, auch die 1. Mai-Demos ...
Sowohl im Theater als auch beim Film pendeln Sie zwischen leichter Publikumskost und anspruchsvollen Werken. Wofür schlägt Ihr Herz?
Leichte Publikumskost? Was sollte das Ihrer Meinung nach sein? „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ – das war mein letztes Theaterstück. „Das Wochenende“? – das ist mein neuer Kinofilm. „Verratene Freunde“? – das ist mein neuer TV-Film. Also, ich sag mal so: Mein Herz schlägt für die Herausforderung, mein Herz schlägt für künstlerische Prozesse, für Inspiration und Kreation und für gemeinschaftliche Entwicklungen und Arbeiten. Und da ist es dann piepegal, ob es leichte oder schwere Kost ist oder ein Menü, if you know what I mean...
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