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Siddharta genießt mit Amrita (Petra Schmidt-Schaller) das Kommunenleben: Georg Friedrich in „Sommer in Orange“.
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„Je extremer eine Figur ist, desto lieber spiele ich sie“

28. Juli 2011

Georg Friedrich über „Sommer in Orange“, Film in Österreich und sein Faible für ungewöhnliche Charaktere - Roter Teppich 08/11

Seit 1983 wirkt der 1966 in Wien geborene Schauspieler Georg Friedrich in zahlreichen Film- und Fernsehproduktionen mit. Durch seine Auftritte in „Hundstage“, „Wolfzeit“, „Böse Zellen“, „Silentium“ oder „Import/Export“ wurde er zum Gesicht des neuen österreichischen Films. Der viel beschäftigte Mime, der 2004 auf der Berlinale zum österreichischen Shooting Star gekürt wurde, ist in diesem Monat in Marcus H. Rosenmüllers neuem Film „Sommer in Orange“ zu sehen, in dem er den ehemaligen RAF-Terroristen Siddharta spielt, der in einer Kommune seine Erfüllung findet.

trailer: Herr Friedrich, „Sommer in Orange“ spielt 1980, als Sie selbst noch Teenager waren. Was haben Sie für eine Erinnerung an diese Zeit?
Georg Friedrich: Ich habe noch eine relativ gute Erinnerung an die Zeit, als Jugendlicher bekommt man schon einiges mit. Von den 70er Jahren kann ich nur noch ein bisschen erinnern, aber die 80er waren meine Zeit, da bin ich groß geworden.

Gibt es bei Ihnen konkrete Erinnerungen an die Friedensbewegung oder die Bhagwan-Anhänger?
Da gibt es wenig. Ich weiß nur noch, dass in den 80er Jahren München für Wiener Verhältnisse eine Großstadt war. Da war damals schon wahnsinnig viel los, in Wien dafür eher wenig. Damals gab es in Wien noch nicht so viele Lokale und Clubs, und München war dann für uns Wiener ziemlich hip. Wenn man nach München gefahren ist, ist man in die große weite Welt hinausgefahren.

Nach 30 Jahren greift der Film nun die Bhagwan-Bewegung in seiner Geschichte auf. Welche Bedeutung hat dieses Thema heutzutage?
Welche Relevanz das für die heutigen Kinozuschauer hat, muss jeder für sich selbst bestimmen. Aber wenn ich mir den Film ansehe, besinne ich mich einfach wieder, dass es auch andere Dinge gibt als nur zu arbeiten und Kohle zu machen. Es geht auch darum, sich um seine Freunde und seine Familie zu kümmern, um die Menschen, die man gern hat. Und für sich selbst einen offenen Weg zu finden und Akzeptanz zu zeigen gegenüber Dingen, die man nicht versteht. Leben und leben lassen.

Ihre Figur Siddharta ist voller Extreme, Sie scheinen ein Faible für etwas freakigere Rollen zu haben…
Ja, das mache ich schon sehr gern. Je extremer eine Figur ist, desto lieber spiele ich sie. Obwohl eine Figur auch in ihrer Einfachheit extrem sein kann. Nicht nur die Strizzis (wienerisch für Zuhälter, aber auch Strolche im Allgemeinen; die Red.) und RAF-Terroristen können extrem sein, sondern auch ein Universitätsprofessor – für mich sogar noch mehr als ein Strizzi. Für mich ist das dann eine größere Herausforderung, das zu machen. Bei „Sommer in Orange“ haben wir täglich 12 bis 15 Stunden zusammen gearbeitet und sind dabei auch persönlich zusammengewachsen. Ich habe dort bei der Arbeit Freunde gefunden. Das ist das Tolle an dem Beruf, dass man mit vielen „emotional schönen Menschen“ zusammenarbeiten kann, die ich dann auch sehr ins Herz schließe. Das ist, glaube ich, in keiner anderen Branche so extrem. Man arbeitet sehr intensiv zusammen und trennt sich dann wieder.

Ist so eine Trennung dann nicht umso schwerer, wenn man eine solche emotionale Nähe aufgebaut hat?
Ja, mir fällt das immer schwer. Man ist aber auch auf der anderen Seite froh, weil es doch sehr anstrengend ist. Man ist froh, wenn diese Anstrengung vorbei ist, andererseits ist man traurig, weil man sich von Leuten, die man irgendwie ins Herz geschlossen hat, wieder verabschieden muss.

Unter Michael Glawogger, Wolfgang Murnberger und Barbara Albert sind Sie zum Gesicht des neuen österreichischen Films geworden. Wo sehen Sie diesen heute?
Dafür, dass wir so ein kleines Land sind, haben wir in den letzten Jahren großes Glück gehabt, dass wir so interessante und gelungene Filme zustande bekommen haben. Gute Filme werden ja nicht unbedingt auch zu großen Publikumserfolgen. Aber mir ist es gar nicht so wichtig, dass Filme ein großes Publikum haben. Mir ist es nach der Premiere wichtig, dass mir der Film gefällt. Da ist es egal, ob zwei Millionen in den Film gehen oder achthundert. Klar, wenn er einen großen Erfolg hat, dann freue ich mich auch, in erster Linie für den Regisseur. Ich finde es oft schade, wenn Filme, die ich mag, zuschauermäßig auf der Strecke bleiben. Viele Filme finden ja auf Festivals unter Cineasten ihr Publikum, gewinnen dort Preise, werden aber anschließend im Kino von niemandem gesehen. Der Österreicher sieht sich nur ungern österreichische Filme an. Der österreichische Durchschnittszuschauer geht eher in die amerikanischen Blockbuster. Bei uns ist ein Film schon mit 100.000 Zuschauern ein Riesenerfolg. Damit es mal mehrere hunderttausend Zuschauer werden, muss schon ein Kabarettist die Hauptrolle spielen. Die erfolgreichsten Filme sind oft solche, die ich selbst überhaupt nicht mag, die ich ganz furchtbar finde. Da kann ich mir überhaupt nicht erklären, wieso die dann zum Publikumserfolg werden.

Was sind Ihre Kriterien bei der Rollenwahl?
Ich lese das Buch. Wenn mir das Buch und die Figur gefallen, dann treffe ich mich mit dem Regisseur. Das sind häufig Bauchentscheidungen, gerade bei Kinofilmen. Ich habe häufig Bücher in die Hand bekommen, zu denen mir nicht viel eingefallen ist, wie das am Ende aussehen könnte. Oft sind dann dabei ganz tolle Filme herausgekommen. Auf der anderen Seite habe ich auch Drehbücher gelesen, die mir unheimlich gut gefallen haben und die dann am Ende nichts geworden sind. Man kann wirklich keine Prognose abgeben, bevor der Film nicht zu Ende gedreht, zu Ende geschnitten und zu Ende gemischt ist. Die Mischung kann einen Film groß machen oder sie lässt ihn klein bleiben.

Spielen Sie denn lieber Komödie oder Drama?
Ich mag schon Komödien sehr gerne, denn bei Komödien darf man meist etwas mehr machen. Die Gesten dürfen größer sein, ein bisschen so wie im Theater. Bei Komödien darf man ein bisschen künstlicher sein, da wird nicht so versucht, die Realität zu faken. Da dürfen auch die Figuren etwas abgehobener sein, was einfach Laune und Spaß macht.

2004 sind Sie auf der Berlinale zum Shooting Star gewählt worden, obwohl Sie damals schon zwanzig Jahre vor der Kamera gestanden hatten. Wie haben Sie das damals empfunden?
Ich bin gar nicht zum Shooting Star gewählt worden, sondern jedes Land hat dafür einfach einen Schauspieler gestellt. Ich bin eben damals schon sehr lange vor der Kamera gestanden und das war dann irgendwie so die letzte Möglichkeit, zu der man mich als Jungschauspieler dorthin schicken konnte. Aber ich habe mich natürlich darüber gefreut, es ist ja immer schön, wenn man für seine Arbeit Lob bekommt.

FRANK BRENNER

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