Um die Verwendung von Gentechnik in landwirtschaftlichen Bereichen wird heftig gestritten. Nicht nur, dass der Anbau von Agro-Genpflanzen als gefährlich und unkontrollierbar eingeschätzt wird, er hat auch immense Nachteile für Bauern, Verbraucher und Umwelt. Nun ist es nicht nur die Verarbeitung von manipulierten Pflanzen für unsere Nahrungsmittel und mögliche ungünstige Auswirkungen auf die Gesundheit, die dem Verbraucher den Angstschweiß auf die Stirn treiben. Auch die plötzliche Erkenntnis, dass das von einem der größten Hersteller für Genpflanzen meistverkaufte Superherbizid Glyphosat-Roundup, vielleicht nicht so naturintelligent und gesundheitsfördernd ist, sorgte für einen Aufschrei.
Ein weiterer wichtiger Aspekt: Der Anbau von manipulierten Agro-Pflanzen benötigt immer mehr Raum. Erschwert wird dieser Umstand dadurch, dass sich immer mehr als „Unkraut“ gekennzeichnete Pflanzen an das Wundermittel Roundup gewöhnt haben und nun in Massen auf den Anbauflächen wuchern, die dann nicht mehr zu nutzen sind. Ein klassisches Beispiel von „Wie man in das Feld hineinruft, so schallt es heraus“. So werden immer mehr Waldflächen gerodet, um weiter zweifelhafte Nutzpflanzen anzubauen.
Dass der Wald wichtig ist für unser Klima, das weiß nun wirklich jeder. Was also tun, wenn immer mehr Wald verloren geht? Patentlösung: Aufforstung. Im Kyoto-Protokoll wird Industrienationen erlaubt, im Zuge der sogenannten „Senken-Projekte“ Aufforstung in Entwicklungsländern zu betreiben. Sprich: Man forstet irgendwo auf der Welt auf und darf das dann zu einem gewissen Grad auf die eigene CO2-Bilanz anrechnen. Und mehr Wald ist doch gut für uns, oder? Prima, denkt man sich, um gleich auf die nächste Krux zu stoßen. Stellt sich doch bei genauem Hinsehen heraus, dass im Zuge der Aufforstung und des Kampfes gegen den Klimawandel genmanipulierte Bäume freigesetzt wurden. Das ist nämlich erlaubt.
Diese Bäume sollen schnell wachsen, sind widerstandsfähiger, sollen Böden reinigen können, etc. Okay. Sie sollen aber auch besseres Holz liefern und die Verarbeitung dieser Bäume soll günstiger sein. Da schleicht sich doch irgendwie der Begriff Profit ein? Sollte vielleicht die Papier-, Energie- und Agrospritindustrie ein höheres Interesse an dieser Form des „Umweltschutzes“ haben? Seit 1988 sind genmanipulierte Bäume in den USA, Kanada, Brasilien, Chile, Neuseeland, Südafrika, China, Indien freigesetzt worden. Europa ist inzwischen auch dabei, in Deutschland gab es mehrere Experimente mit genmanipulierten Pappeln.
Blicken wir noch einmal zurück: In den letzten Jahren hat sich herausgestellt, dass genmanipulierte Produkte aus verschiedenen Gründen nicht so gut sind. Und nun pflanzt man genmanipulierte Bäume? Zu bedenken ist dabei, dass es sich bei Bäumen um langsam wachsende Pflanzen handelt. Langzeitauswirkungen können also nur bedingt vorausgesagt werden. Das Anbauen von Monokulturen ist auch ohne Genmanipulation schwierig für die Umwelt. Was geschieht, wenn genmanipulierte Pollen und Samen hunderte Kilometer weit getragen werden?
Dazu hatten die Forscher selbstverständlich eine Idee: Die Bäume sollten gentechnisch sterilisiert werden. Gesagt, getan, leider hielten sich einige der Bäume zur Verwunderung der Manipulatoren nicht so ganz an die genetischen Vorgaben und blühten in voller Pracht. Weiter besteht die Gefahr, dass genmanipulierte Bäume wildlebende, echte Bäume auskreuzen. Ein Gen-Transfer auf Pilze, Wurzeln und Tiere könnte stattfinden. Die Liste lässt sich endlos weiterführen. Trotz aller Bedenken hat alleine China 2004 circa 1,4 Millionen Pappeln gepflanzt, die ein bestimmtes Insektengift produzierten. Heute kann niemand mehr genau sagen, wo genau diese Bäume gepflanzt worden sind.
Am Ende bleibt eine Frage: Warum glaubt der Mensch ein System manipulieren zu müssen, das ohne seine Anwesenheit prima funktionieren würde? Warum können selbst schlimme Fälle von Trial and Error die Manipulierungswut nicht stoppen? Letztlich sollte sich der Mensch selbst optimieren, hin zu einem nachhaltigen und verantwortungsbewusstem Umgang mit der Umwelt und dem Klima. Ob hier wohl eine Genmanipulation den gewünschten Erfolg brächte?
Lesen Sie weitere Artikel
zum Thema auch unter: choices.de/thema und engels-kultur.de/thema
Aktiv im Thema
www.robinwood.de | NGO für Umwelt- und Naturschutz
www.bund.net | Bund für Umweltschutz und Naturschutz Deutschland
www.sdw.de | Schutzgemeinschaft Deutscher Wald
Thema im Juli: FREIHEIT – Menschenrecht oder Illusion?
Ein Gefühl und seine Grenzen. Fühlen Sie sich unfrei? Schreiben Sie uns unter: meinung@trailer-ruhr.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Waldesruhe
Momentaufnahme im Hambacher Forst – Spezial 09/18
Mein Freund der Baum
Zora del Buono porträtiert in „Das Leben der Mächtigen“ besondere Bäume – Literatur 07/16
Waldsterben 2.0
Unsere grüne Lunge pfeift noch immer aus dem letzten Loch – THEMA 06/16 WALDESLUST
„Manche unserer Schulbücher werden in China auf Tropenholz gedruckt“
BUND-Waldexpertin Nicola Uhde über den Zustand der Wälder – Thema 06/16 Waldeslust
Ja zur Katastrophe
Intro 07/22 – Und Tschüss
Abschied des Glücks wegen
Von der Leichtigkeit der Entwurzelung
„Das rührt sehr an Selbstkonzepten“
Psychologin Ines E. Walter über Reiz und Risiko von Auslandsaufenthalten
Experten für die eigene Geschichte
Workshops zur Migrationserfahrung in Bochum
Mehr vom Leben
Auf dem Weg zur Work-Life-Balance – Vorbild Spanien
Systemabsturz
Im Teufelskreis ungesunder Arbeit und Beziehungen – Glosse
Keine Frau alleine lassen
Seit 40 Jahren bietet die Wuppertaler Frauenberatung ihre Hilfe an
„Das Interesse an engen Freundschaften hat zugenommen“
Psychologe Wolfgang Krüger über Pflege und Ende von Freundschaften
Reif für die Trennung
Nähe und Abstand in Familie und Freundschaft
Die eigenen Stärken erkennen
Der Womans Business Cologne e.V.
„Geld ist ein Lockmittel, motiviert aber nicht lang“
Wirtschaftspsychologe Christian Dormann über moderne Arbeitsvorstellungen
Unsinnige Arbeit
Bullshit-Jobs machen krank und stabilisieren das System
Auf Entzug
Intro 06/22 – Mit allen Sinnen
Solidarität braucht Begegnung
Digitalisierung vereinzelt tendenziell Beschäftigte. Das lässt sich ändern
„Neue Klassenkonflikte“
Soziologe Simon Schaupp über Digitalisierung und Arbeiterinteressen
Kein Arbeitskampf ohne Körper
Das Fritz-Hüser-Institut in Dortmund erforscht Literatur der Arbeitswelt
Der stille Kampf gegen den Lärm
Die Niederlande bauen seit Jahrzehnten Maßnahmen gegen Lärmbelastung aus – Vorbild Niederlande
Statische Unruhe
Digital verseucht – Glosse
Durch Drängen zum Flüsterton
Die Bürgertaskforce A 46 bündelt den Einsatz für Lärmschutz in Wuppertal
„Ein eindeutig gesundheitsgefährdendes Potenzial“
Ingenieur Christian Popp über Umgebungslärm und Defizite im Lärmschutzrecht
Laut oder aus!
Lärm ist subjektiv – und objektiv schädlich