Alison Bechdel war lange Zeit vor allem durch den Bechdel-Test bekannt. Der testet die Repräsentation der Geschlechter in Filmen an Hand der Fragen: Gibt es mindestens zwei Frauen, die miteinander reden, und zwar nicht nur über Männer? Er tauchte in einem frühen Strip ihrer langlebigen queeren Serie „Dykes to watch out for“ als Gag auf, hat sich aber schon lange zum spielerischen Instrument der feministischen Filmkritik entwickelt. Auf ihre autobiografische Graphic Novel „Fun Home“ über ihren Vater, die 2006 auf vielen Bestenlisten u.a. der New York Times landete, folgte 2012 „Wer ist hier die Mutter?“. In ihrem neuen Comic „Das Geheimnis meiner Superkraft“ steht sie ganz im Mittelpunkt – und ihr Körper. Denn die nun 60-Jährige outet sich als lebenslanger Sport-Junkie, dessen energetischer Zenit überschritten ist. Bechdel unterfüttert ihren Drang nach Körperlichkeit psychologisch und philosophiegeschichtlich. Das ist mal komisch, mal schmerzlich, aber immer ehrlich und klug.
Der Comic erscheint bei Kiepenheuer & Witsch, einem großen Verlag mit breitem Programm fast ohne Comics. Abgesehen von ganz wenigen großen Comicverlagen gibt es im deutschsprachigen Raum vor allem viele Klein- und Kleinstverlagen. Zu den kleinen gehört auch die Edition Moderne: 1981 gegründet und noch 2021 als bester Schweizer Verlag gekürt, hat er Comics von international renommierten Künstler:innen wie Jacques Tardi, Joe Sacco, oder Marjane Satrapi veröffentlicht. Doch trotz der Erfolge mussten die vier Mitarbeiter:innen nun die Crowdfunding-Aktion „Too Big to fail“ starten, um weiterhin als dienstältester deutschsprachiger Independent-Verlag bestehen zu können. Mit über 100.000 CHF wurde das Ziel bereits erreicht, und dennoch kann man nicht genug auf die tollen Bücher aus diesem Haus hinweisen. Gerade erscheint mit „Aaron“ von Ben Gijsemans ein Comic, der mit großer erzählerischer Konzentration von der Angst und der Einsamkeit eines jungen Studenten erzählt, der fürchtet, pädophil zu sein. Und mit „Die große Leere“ von Léa Murawiec ist zuletzt ein tragisch-komisches, visuell berauschendes Debüt zum Thema Aufmerksamkeitsökonomie, Prominenz und Soziale Medien erschienen. Die Edition Moderne und ihr tolles Programm mit Comic-Käufen zu unterstützen ist also alles andere als eine selbstlose Tat!
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
Keine Angst vor Gewittern
„Donnerfee und Blitzfee“ von Han Kang – Vorlesung 09/25
Roman eines Nachgeborenen
„Buch der Gesichter“ von Marko Dinić – Literatur 09/25
Süß und bitter ist das Erwachsenwerden
„Fliegender Wechsel“ von Barbara Trapido – Textwelten 09/25
Geteilte Sorgen
„Lupo, was bedrückt dich?“ von Catherine Rayner – Vorlesung 08/25
Augen auf Entdeckungsreise
„Jetzt geht’s los!“ von Philip Waechter – Vorlesung 08/25
Düster und sinnlich
„Das hier ist nicht Miami“ von Fernanda Melchor – Textwelten 08/25
Erste Male zwischen den Welten
„Amphibium“ von Tyler Wetherall – Literatur 08/25
Eine wahre Fluchtgeschichte
„Wie ein Foto unser Leben rettete“ von Maya C. Klinger & Isabel Kreitz – Vorlesung 07/25
Die Kraft der Erinnerung
„Das Geschenk des Elefanten“ von Tanja Wenz – Vorlesung 07/25
Alternative Realität in Tokyo
„Tokyo Sympathy Tower“ von Rie Qudan – Literatur 07/25
Zart und kraftvoll zugleich
„Perlen“ von Siân Hughes – Textwelten 07/25
Zeichnen in Kriegszeiten
„Ukraine Comics“ in Dortmund
Magischer Realismus
Charlotte Brandi liest in Dortmund aus ihrem Debütroman „Fischtage“ – Lesung 08/25
Bis zur Neige
„Der Durst“ von Thomas Dahl – Literatur 06/25