Die Osterzeit gilt als Hoch-Zeit der Chorgemeinschaften im Oratorienfieber. Und wenn jetzt die Bach-Passionen, die zurecht ewigen Glanzlichter religiöser Verehrung und Vergegenwärtigung der Leiden Christi, sanft bis mächtig verklungen sind, darf der Chor der Bonner Kreuzkirche im Zusammenschluss mit dem Choeur Universitaire de Liège gerne an einen französischen Großmeister erinnern, der rund zehn Jahre mit der Arbeit an seinem vokalen Hauptwerk „Les Béatitudes“ werkelte, einer Bergpredigt in Oratorienform à la César Franck.
Der Musiker erblickte 1822 in Lüttich (Liège) das Licht der Welt, die an diesem schönen Fleck damals noch zum Königreich der Vereinigten Niederlande gehörte. Als gebürtiger Wallone wurde César französisch erzogen, aus bürokratischen Gründen ließ Vater Franck die Familie 1837 in Frankreich einbürgern. César wäre sonst nicht am Pariser Konservatorium zum Musikstudium aufgenommen worden.
Claude Debussy sagte über seinen Lehrer: „César Franck war ein Mann ohne Arg, dem es genügte, eine schöne Harmonie gefunden zu haben, um sich des Tages zu freuen.“ Ein anderer Schüler: „Niemand, der auf der Straße diesem eiligen Wesen mit seiner zerstreuten Miene, den fortwährend in Bewegung gehaltenen Gesichtszügen begegnete, das mehr einher trottete als ausschritt und mit einem viel zu weiten Gehrock und zu kurzen Hosen bekleidet war, konnte jene Verklärung ahnen, die eintrat, wenn Franck am Klavier die Schönheiten der Musik erklärte.“ (Zitate ausTheo Hirsbrunner: „Claude Debussy und seine Zeit“)
Gerühmt wurde die Instrumentationskunst in seinem opernhaften Oratorium, dem eine durchaus jenseitige bis pessimistische Grundauffassung anhängt, sodass die humanitäre Lehre der zugrunde liegenden Bergpredigt angesichts einer gottlosen, oberflächlichen Gegenwart eher als Utopie denn als verwirklichtes Lebensprogramm erscheint. Der Stoff klingt nach einem brandaktuellen Konzept, mit einem Chor der Sklaven, einem Rachegesang der Geknechteten oder dem gotteslästerlichen Triumphgebrüll der Tyrannen und heidnischen Priester, sekundiert vom plakativen Spottgesang der aufgepeitschten Menge. „Überraschend hochaktuell“ empfinden auch die Interpreten die Texte der Seligpreisungen, die mit den Chören, Orchester und Solisten zunächst in der Cathédrale de Liège erklingen, um dann in Bonn gefeiert zu werden.
Les Béatitudes | 29., 30.4. 19 Uhr | Evangelische Kreuzkirche Bonn | 0228 688 04 61
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