Comic und Storyboard verbindet eine große Verwandtschaft. Ersteres ist eine fast zur selben Zeit wie der Film entstandene Form des sequentiellen Erzählens in Bildern, Letzteres ist ein Hilfsmittel zur Realisierung eines Filmprojektes. Auf diesen Verbindungslinien gleitet der Comic „Das Storyboard von Wim Wenders“ von Stéphane Lemardelé wunderbar entlang: Ein Storyboarder wird für schwierig zu planende Szenen und Dreharbeiten herangezogen, um als Orientierungspunkt eine gezeichnete Vorstellung des geschnittenen Films zu liefern. Wim Wenders fragt Lemardelé für die Eröffnungsszenen von „Every Thing will be fine“ (2015), die u.a. in Kanada auf einem gefrorenen See gedreht werden sollen. Lemardelé macht daraus wiederum einen Comic. Obendrein gibt es Auszüge aus dem originalen Storyboard sowie Szenen von den Dreharbeiten (Splitter). Nicht ganz so tief geht „Klassiker der Filmgeschichte“ von Thébaudeau und Gambin ins Thema. Der Band galoppiert durch die Filmgeschichte, liefert Infos zu Klassikern und deren Kontexten und erzählt jeweils in kurzen Anekdoten von Entstehung und Produktion. Aufgrund der französischen Provenienz mit leichtem Überhang französischer Filme, was für Cineasten aber in Ordnung sein sollte. Ein hübsches Coffee Table-Book (Splitter).
Noch ein Filmthema: Der Anime-Meister Hayao Miyazaki hat 1983, kurz vor der Gründung seines einflussreichen Studios Ghibli, mit „Shunas Reise“ seinen einzigen Manga realisiert. Als solcher eher ungewöhnlich, weil durchgehend farbig, kaum mit Sprechblasen, sondern mit Erzähltext ausgestattet und auch zeichnerisch sehr eigen, findet man in der märchenhaften Fabel zahlreiche Figuren und Topoi, die später in seinen erfolgreichen Filmen auftauchen. Für Miyazaki-Fans ein unverzichtbares Frühwerk (Reprodukt). Für Comicfans hingegen ein Muss ist „Letztes Wochenende im Januar“ von Bastien Vivès. Die Geschichte eines Zeitensprungs, die ausgerechnet auf dem bedeutendsten Comicfestival der Welt in Angoulème spielt, da der männliche Part ein älterer, uncooler Comiczeichner wie aus dem Buche ist. Ironie des Schicksals: Vivès machte zuletzt Schlagzeilen, weil er wegen Pädophilie-Vorwürfen gegen seine Comics als Hauptgast von Angoulème ausgeladen wurde. Aber in diesem Comic ist glücklicherweise niemand minderjährig (Schreiber & Leser).
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
Alternative Realität in Tokyo
„Tokyo Sympathy Tower“ von Rie Qudan – Literatur 07/25
Zart und kraftvoll zugleich
„Perlen“ von Siân Hughes – Textwelten 07/25
Jugend & Freundschaft
Kurt Prödel liest im zakk in Düsseldorf
Zeichnen in Kriegszeiten
„Ukraine Comics“ in Dortmund
Bis zur Neige
„Der Durst“ von Thomas Dahl – Literatur 06/25
Flucht ins Metaverse
„Glühfarbe“ von Thea Mantwill – Literatur 06/25
Ein Hund als Erzähler
„Zorro – Anas allerbester Freund“ von Els Pelgrom und Sanne te Loo – Vorlesung 06/25
Im Reich der unsichtbaren Freunde
„Solche Freunde“ von Dieter Böge – Vorlesung 06/25
Ein Leben, das um Bücher kreist
„Roberto und Ich“ von Anna Katharina Fröhlich – Textwelten 06/25
Hartmut und Franz
Oliver Uschmann und sein Roman über das Verschwinden von Kafka – Literaturporträt 06/25
Die Spielarten der Lüge
„Die ganze Wahrheit über das Lügen“ von Johannes Vogt & Felicitas Horstschäfer – Vorlesung 05/25
Im Fleischwolf des Kapitalismus
„Tiny House“ von Mario Wurmitzer – Literatur 05/25
Starkregen im Dorf der Tiere
„Der Tag, an dem der Sturm alles wegfegte“ von Sophie Moronval – Vorlesung 05/25
„Charaktere mit echten Biografien“
Oliver Uschmann über seinen Roman „Ausgefranzt“ – Literatur 05/25
Ein Meister des Taktgefühls
Martin Mosebachs Roman „Die Richtige“ – Textwelten 05/25