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Nikita Afanasjew
Foto: Eva Kienholz

Doppelte Enthüllung

02. Dezember 2024

„Sputnik“ von Nikita Afanasjew – Literatur 12/24

Berlin, Mitte der 2010er Jahre. Ein Journalist mit dem – einst zu Sowjetzeiten gekauften – Namen Leo Puschkin schreibt für eine Berliner Zeitung, ein „Regionalblatt mit bundesweiter Ambition“. Irgendwann beauftragt seine Vorgesetzte ihn, sich verdeckt vom russischen Auslandssender einstellen zu lassen und über dessen Praktiken zu berichten. Dieser Job zwingt Puschkin dazu, sich mit seiner Herkunft, seinem „inneren Osten“ auseinanderzusetzen, gar „knietief durch ostigen Sumpf zu waten“, wo er sonst ideologische Gräben meidet: „Ich bereute nicht, welche Seite ich zu wählen drohte – sondern hasste es, mich überhaupt für eine zu entscheiden.“ Stattdessen streckt er in seiner Freizeit mit einem Kumpel lieber Kaviar und navigiert – meist unter Einfluss diverser Spirituosen – durch die Fallstricke seines Reporterdaseins. Weil der Undercover-Auftrag nicht läuft wie geplant, schreibt Puschkin die Geschichte achteinhalb Jahre später trotz unterzeichneter Schweigeverpflichtung als Roman auf.

Nikita Afanasjew legt mit „Sputnik“ eine fiktive Autobiografie vor, die trotz ernster Themen mit Leichtigkeit aufwartet – etwa wenn Puschkin versehentlich als Online-Trolls arbeitende Personen während seiner verdeckten Ermittlung enttarnt. Dass ihn der unterwanderte Sender mit einer zusätzlichen Enthüllungsstory über seinen früheren Arbeitgeber beauftragt, führt zu einem herrlichen Verwirrspiel. Autor Afanasjew, selbst Journalist, geht so aus verschiedenen Perspektiven mit der „Journaille“ und den Praktiken rund um möglichst skandalöse Aufmacher ins Gericht. Sein Schreibstil bereitet dabei Vergnügen in jedem Absatz: Er zeichnet mit seiner Sprache reichhaltige Bilder, etwa von der im Vergleich ehrlichen körperlichen Arbeit des Kaviar-Streckens oder von Berlin, das „wie ein leckgeschlagenes Boot behäbig mit Touristen volllief“. Zudem begleitet er seinen Ermittler wider Willen nicht nur empathisch, sondern auch ironisch-distanziert, berichtet er die Ereignisse doch aus der Retrospektive. Auch das offene Ende mit Varianten im Epilog ist selbstironisch gehalten.

Nikita Afanasjew: Sputnik | Deutsche Originalausgabe | Voland & Quist | 224 S. | 24 Euro

Melanie Schippling

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