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Maggie Millner
Foto (Ausschnitt): Sarah Wagner Miller

Erwachsen werden

01. April 2024

„Paare: Eine Liebesgeschichte“ von Maggie Millner – Textwelten 04/24

Ihr literarisches Debüt bezeichnet die Amerikanerin Maggie Millner als „Eine Liebesgeschichte“. Das ist immer interessant, erzählt doch jede Liebesgeschichte eine andere Version der einen großen Sache. Die Story könnte einfacher nicht sein. Eine junge Frau, die in einer eigentlich stabilen Beziehung mit einem gleichaltrigen Mann lebt – sie lehrt Literatur, er forscht als Biologe – begegnet in einer Bar einer Frau, in die sie sich verliebt. Nichts sabotiert die Ordnung, die sich Menschen geben, so sehr wie ihr Begehren. Es ist nicht ohne Tücke, dass diese Geschichte mit dem Titel „Paare“ überschrieben ist. So wird doch eine Paarkonstellation aufgelöst, während die Frage, ob die beiden Frauen ein Paar werden, noch offenbleibt. Die Eifersucht spielt dabei eine wichtige Rolle. Leidenschaft ist zweifellos im Spiel. Und für sie findet Maggie Millner eine scheinbar altmodische, aber in Wahrheit kongeniale Form.

Sie erzählt die Liebesgeschichte als Versepos, dessen raffinierte Rhythmik Eva Bonné wunderbar klug ins Deutsche übertragen hat. Normalerweise haftet dem Reimen eine bräsige Naivität an. Wenn aber Maggie Millner intellektuelle Scharfzüngigkeit mit kurzen, aber expliziten Hinweisen auf Fesselung, Gleitmittel und heftiges Kommen in einem Satz verbindet, erhält der Reim beißende Ironie. Während die Erzählerin noch ihre Momente glühender Lust erlebt, reflektiert sie auch schon über sie.

Daran hätte die Geschichte scheitern können, aber Millner ist eine virtuose Dramaturgin. Am Ende eines Reims ist der Eintritt in den nächsten Satz platziert, der uns wie der Haken eines Bergsteigers auf den nächsten Grat zieht. So wird man stets in den Fortgang der Geschichte gelockt. Sex bleibt beständig ein Thema, und inwieweit Begierde und Liebe miteinander verwoben sind, lässt sich halt nie ganz entscheiden. Als belesene Intellektuelle scheut die Erzählerin jede Versuchung, die körperliche Liebe mit Pathos zu verkleistern. Zugleich ringt sie aber mit dem Versuch, würdevoll mit dem eigenen Begehren umzugehen. An der Liebe zu wachsen, melancholisch und tapfer zugleich, das ist, was bleibt. So wird aus der trendigen Lovestory der beiden Frauen in Millners tollem Debüt doch noch ein gewichtiges kleines Epos.

Maggie Millner: Paare | A. d. amerik. Englisch v. Eva Bonné | Klett-Cotta | 120 Seiten | 20 €

Thomas Linden

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