Es war bereits ein Vergnügen, Sybille Berg und Dietmar Dath im 2019 herausgegeben Band „Zahlen sind Waffen“ zu folgen. Dieser Wortwechsel zweier scharfsinniger Zeitgeister über Marx, Physik, Philosophie und eben viel Literatur demonstrierte nicht nur ein dialektisches Prinzip: ein Denken durch Dialog. Es zeigte auch auf, dass so ein Plauderformat nicht zwangsläufig auf eine plattePodcastisierungà la „Lanz & Precht“ hinausläuft.
Ein intellektueller Spaß ist daher vorprogrammiert bei diesem Festivalfinale von Literaturdistrikt, bei dem Sybille Berg und Dietmar Dath am Lesepult sitzen. Dass sogar so trocken anmutende Themen wie die Mathematik spannend sein können, bewiesen beide nicht nur durch den erwähnten „Zahlen“-Band. Denn Dath sprach erst im vergangenen November in Essen, damals noch unter dem Festivaltitel Literatürk über seinen Roman „Gentzen. Oder: Betrunken aufräumen“. Diesmal kommentiert der langjährige FAZ-Feuilletonist dagegen einen anderen Roman, eben Sybille Bergs „RCE“, die Fortsetzung ihres Bestellers „GRM“. Zuvor liest die Züricherin natürlich aus ihrem zweiten Dystopie-Roman über die Auswüchse des neoliberalen Kapitalismus.
Ihr Gespräch ist nicht die einzige Veranstaltung, in der es um die Macht der Algorithmen und Daten geht. Niklas Maak präsentiert zudem sein „Servermanifest“; der Untertitel: „Architektur der Aufklärung: Data Center als Politikmaschinen“. In seinem Buch skizziert der Journalist, welche Gefahr in den Händen von Tech-Giganten konzentrierte Daten für die digitale Bautypologie und damit die Stadt der Zukunft bedeuten. Um Umbrüche und Kontinuitäten geht es dagegen in einer Podiumsdiskussion mit der Autorin und Politikerin Marina Weisband und dem ideologiekritischen Medien- sowie Filmanalysten Wolfgang M. Schmitt.
Der Veranstaltungstitel erinnert nicht nur an die vielzitierte Kanzlerplattitüde, sondern an den frischen Namen, den sich das einstige Literatürk-Festival gegeben hat. Trotzdem bleibt alles beim Alten: mit vielversprechenden Lesungen, darunter Christian Baron, der in „Schon ist die Nacht“ wie kaum ein anderer deutschsprachiger Autor die Existenzkämpfe der Working Class schildert. Die Festivaleröffnung übernimmt Fatma Aydemir mit ihrem Roman „Dschinns“, derzeit nominiert für den Deutschen Buchpreis 2022.
Literaturdistrikt | 7.-19.11. | div. Orte in Essen | www.literaturdistrikt.de
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