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Bewahrt das gallische Bücherdorf: Brigitta Lange
Foto: Ulrich Schröder

Festung gegen Festivals

30. Mai 2018

Mülheim-Saarn: Literaturperle an der Ruhr – Lesezeichen 06/18

„Das hat Saarn gerade noch gefehlt“, lautete das Gründungsmotto der Buchhandlung Hilberath & Lange, die in dem Mülheimer Stadtteil vor fast 25 Jahren in die ehemaligen Räumlichkeiten einer Metzgerei einzog. „Datt halten die doch kein Jahr durch!“, kommentierte ein Saarner Geschäftsmann die Schaufensterwerbung in der Düsseldorfer Straße. Doch schon bei der Eröffnung war der von Ursula Hilberath und Brigitta Lange gegründete Laden „rappelvoll“, wie der heute in 2000 Exemplaren erscheinenden 20-seitigen KundInnzeitschrift „HilLa“ zu entnehmen ist. Und auch heute noch sind die Gründerinnen wild entschlossen weiterzumachen und das gedruckte Buch als „kleines gallisches Dorf“ nicht zuletzt gegen das E-Book zu verteidigen. Dies gelingt den ‚Hillas‘ angesichts von bislang 438 Literaturveranstaltungen, die sie im Rahmen des von ihnen aus der Taufe gehobenen „Bücherfrühlings“ bislang organisiert haben, vorbildlich. Ein besonderes Anliegen ist Brigitta Lange der inhaltliche Diskurs über Literatur mit dem Publikum – dies sei im Rahmen „abgeschotteter Konzepte“ großer Festivals wie der Lit.Ruhr kaum möglich.

Zum Auftakt des 24. Saarner Bücherfrühlings stellte Erfolgsautor Arno Geiger seinen das Spannungsverhältnis zwischen Individuum und Geschichte auslotenden Weltkriegsroman „Unter der Drachenwand“ (Hanser 2018) vor. Das Publikumsinteresse an der Veranstaltung war riesig – mit rund 80 Leuten war die Buchhandlung bis auf den letzten Platz gefüllt und etwa noch einmal so viele standen auf der Warteliste. Großen Zuspruch fand auch die Autorenlesung von Bestsellerautor Andreas Brandhorst, der in seinem Science-Fiction-Thriller „Das Erwachen“ (Piper 2017) das Szenario eines digitalen Super-GAUs schildert, der ein die Menschheit bedrohendes digitales Bewusstsein eines weltweit vernetzten Mega-Computers erwachen lässt. Doch auch der Mensch selbst droht immer maschinenähnlicher zu werden: Mit Selbstoptimierungswahn und steigendem Anpassungsdruck setzt sich Joachim Zelter in seinem neuen „Roman einer Obsession“ mit dem Titel „Im Feld“ (Klöpfer & Meyer 2018) auseinander.

Ein besonderes Highlight des Bücherfrühlings war zudem die „Literarische Wanderung“ unter dem Motto „Stadt, Land, Fluss – und Literatur“ am 5. Mai: Bei ihrem mehrstündigen Stadtrundgang sondierten Ursula Hilberath und Thorald vom Berg nicht nur kulturelle Identifikationszentren der Geschichte Mülheims wie die 1926 fertiggestellte Stadthalle, welche die Utopie des „Venedig an der Ruhr“ verkörpern sollte, sondern beleuchteten auch urbane Schattenseiten wie die fortschreitende Gentrifizierung der Innenstadt – etwa im Bereich des neuen Sportboothafens. Auch die heimische Literaturszene hatte in der Vergangenheit immer wieder ihren Platz im Programm des Saarner Bücherfrühlings: Neben dem kabarettistischen Ruhr-Promi Jochen Malmsheimer waren seit 2001 u.a. namhafte Ruhr-Krimi-VerfasserInnen wie Peter Kersken, Ursula Sternberg und im vergangenen Jahr der Mülheimer Thriller-Autor Uwe Wittenfeld bei den Hillas zu Gast. Zum 25. Jubiläum der Buchhandlung Hilberath & Lange im September darf sich das Publikum auf Fernseh- und Radiokoch Helmut Gote freuen; zudem liest die u.a. als Tatort-Kommissarin bekannte Schauspielerin Eva Mattes aus Astrid Lindgrens Kriegstagebüchern und singt europäische Chansons.

Im Netz: www.hillabuch.de

Ulrich Schröder

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