An lauen Sommerabenden lädt das Ufer der Lippe, die das Zentrum der 85.000-Einwohner-Stadt Lünen nördlich von Dortmund durchfließt, zum Verweilen ein. Doch auch im Winter hat der Fluss seinen Reiz – zumal direkt in der Innenstadt die 1980 eröffnete Lippe Buchhandlung hier zuhause ist. Am 11. Januar fanden sich über 120 Gäste in dem 250 Quadratmeter großen Ladenlokal ein, als Gisella Sons, Stadtarchivar Freddy Niklowitz sowie die Heimatpfleger Horst Störmer und Dr. Peter Kracht unter dem Motto „Treffpunkt Straße“ das „Jahrbuch Kreis Unna 2018“ vorstellten, das sich mit historischen Verkehrswegen befasst, die von Skandinavien über Lünen bis Santiago de Compostela reichen. Bereits im September hatte Peter Prange („Das Bernsteinamulett“, 2004 als ARD-Zweiteiler verfilmt) mit der Vorstellung seines neusten Romans „Unsere wunderbaren Jahre“ (Fischer-Scherz 2016) für volles Haus an der Lippe gesorgt.
Am 11.1. war Lünen selbst das zentrale Thema des Abends – und die Buchhandlung bis auf den letzten Platz besetzt. Wer hätte gedacht, dass es unweit der Lippe-Metropole bereits im vorchristlichen Jahrzehnt der Varus-Schlacht ein Römerlager gab, wo etwa 20.000 Legionäre stationiert waren, die unter anderem mit Gewürzen aus Indien versorgt wurden, die man über den Fluss treidelte? Oder dass seit dem Frühmittelalter ein Zweig des Jacobswegs nach Santiago de Compostela durch Lünen führte? Und dass die Versorgung der Metropole Köln mit Rindfleisch aus Dänemark unweit des heutigen Stadtzentrums mitten durch die Lippe führte? Nicht nur diese historischen Details, sondern insbesondere ihre inspirierende bildliche Inszenierung etwa durch Aufnahmen des Barock-Schlosses Cappenberg luden dazu ein, diesen Teil der Ruhr-Region genauer unter die Lupe zu nehmen und zu erkunden.
Kulturelle Brücken zu bauen ist eine Herzensangelegenheit der Inhaberin des seit 1995 von Heidi Vakilzadeh geführten Buchladens an der Lippe. Ursprünglich war das Geschäft auf einem anderen Kontinent angesiedelt: 1965 hatten es ihre Eltern Irene und Hushang Vakilzadeh in der iranischen Hauptstadt Teheran eröffnet, bevor nach der Machtübernahme des Ayatollah Chomeini 1980 ein Umzug nach Deutschland notwendig wurde. Seit über 37 Jahren hat sich die Lippe Buchhandlung nunmehr mit vielen Veranstaltungen als feste Größe in der Lüner Kulturszene etabliert. Hinzu kommen soll im Laufe dieses Jahres ein Büchercafé, das neben zahlreichen Lesungen das Interesse am gedruckten Buch gegenüber anderen Medien steigern soll. Die „angenehme, gemütliche Atmosphäre“ ihres Ladenlokals möchte Heidi Vakilzadeh auch weiterhin für Leseabende mit prominenten Gästen sowie AutorInnen aus der Region nutzen. „Mein Bauchgefühl sagt mir, was richtig ist“, beschreibt die Inhaberin ihre Philosophie bei der Auswahl der Vortragenden. „Die Autorinnen und Autoren müssen zum Publikum passen.“ Bei ihrer Auswahl bewies sie immer wieder eine glückliche Hand – so etwa bei der inzwischen dreimaligen Einladung von Nina George, deren teils preisbelohnte Romane „Die Mondspielerin“ sowie „Das Lavendelzimmer“ (Knaur 2010 und 2013) auch in Lünen bekannt gemacht wurden. Auch 2018 ist sicherlich die eine oder andere spannende Lesung zu erwarten – getreu dem Motto: Es lebe das Buch!
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