„Wie erzählt man seine Lebensgeschichte, wenn man den eigenen Erinnerungen nicht trauen kann?“ Diese Frage ist vielleicht ‚des Pudels Kern‘ bei jeder Art fiktionalen Schreibens, das auch noch so entfernt autobiografisch inspiriert ist. Hierzu bedient sich die in Recklinghausen geborene Newcomer-Autorin Pia Lüddecke des Genres der Schauerliteratur und hat mit ihrem inzwischen bereits in zweiter Auflage erschienenen Buchdebüt „Der schwarze Teufel“ (Ventura-Verlag 2016) zugleich einen Coming-of-age-Roman verfasst. Am 2.6. begeisterte sie das Publikum mit ihrer Lesung „Rock 'n' Rabbit“ im Lüner ‚Treffpunkt Neuland‘ – einem Veranstaltungsort, der nicht nur das kulturelle Leben in der 85.000-Einwohner-Stadt an der Lippe bereichert, sondern mit seinem internationalen Profil auch Brücken zwischen den Kulturen zu bauen sucht. Musikalisch begleitet wurde die Lesung von Ernest alias Benjamin Ehrenberg, der als Gitarrist auch in der Herner Hardrock-Band Xntrx spielt und den Saiten immer wieder schwarzromantisch-stimmungsvolle Klänge entlockte.
Hauptfigur des Romans ist die kleine Claudia, die mit ihren Eltern auf einem verwahrlosten ehemaligen Schultenhof „mitten im westfälischen Nirgendwo“ an der Grenze zwischen Ruhrgebiet und Münsterland lebt – einem Ort, „über dem die giftigen Dämpfe der Moore wie Nebelschwaden hingen“. Sie ist kein Wunschkind, und ihre Eltern haben sie „nach der Kräuterhexe“ benannt, die dabei half, sie zur Welt zu bringen. Immer wieder ist das Schauer-Genre durchsetzt von emanzipatorischen Elementen, und schon in frühem Alter zeichnet sich ein Generationenkonflikt ab; Vater Heinrich konstatiert: „Manche Kinder sind spießiger als ihre Eltern.“ Am dritten Geburtstag ihrer Tochter haben sie genug und fordern Claudia auf, endlich im Freien zu spielen. Dort begegnet sie bald einem teuflischen schwarzen Kaninchen namens Mephisto, das sie auf die erste große Bewährungsprobe ihres Lebens stellen soll… Pia Lüddecke spricht mit ihrem Debüt-Roman ein vielschichtiges Publikum an und erreicht sowohl jüngere LeserInnen als auch alte Hasen. Ihr nächstes Buch ist bereits in der Mache und es lohnt sich im Netz immer ein Blick auf die Autorinnen-Seite: pialueddecke.de.
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