Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
5 6 7 8 9 10 11
12 13 14 15 16 17 18

12.605 Beiträge zu
3.829 Filmen im Forum

Hardwick Elizabeth
Foto: Everett/Shutterstock

Freundliche Melancholie

05. Dezember 2022

Ein neuer Verlag und ein Klassiker weiblicher Literatur – Textwelten 12/22

Das japanische Wort für Herbst heißt „aki“. So nennt sich jetzt ein Schweizer Verlag, dessen Programm strikt weiblich ausgerichtet ist. Einmal im Jahr erscheinen ein halbes Dutzend Titel, deren Herkunft sich aus aktuellen Entdeckungen und Romanen etablierter Autorinnen wie Deborah Levy oder Elizabeth Hardwick speist. Es ist ein besonderes Vergnügen, diese sorgfältig gestalteten Bücher mit ihrer Leinenhaptik in Händen zu halten. Die Gestaltung ihrer Cover und Illustrationen wurde von Künstlerinnen entworfen, die mit verwegenen Visionen zu Werke gehen.

Aus welchen Abenteuern ein Frauenleben mit seinen Gefahren und Lüsten bestehen kann, demonstriert etwa „Strega“, das Debüt der Schwedin Johanne Lykke Holm. Auch mit dem Debütroman „Ein Zuhause schaffen“ der Musikerin und Künstlerin Tice Cin, meldet sich eine eigenwillige literarische Stimme zu Wort. Tice Cin erzählt aus der Welt junger türkischstämmiger Frauen, deren Familien im Norden Londons angesiedelt sind. Der Realismus, mit dem sie die Beziehungen der Geschlechter, die Freundschaften unter den Mädchen oder die Bedeutung der kulinarischen Traditionen in den Familien schildert, verwandelt den Roman in ein packendes Leseerlebnis.

Über die Generationen hinweg eröffnet sich mit jeder Autorin ein anderer Blick auf die weibliche Lebenswelt. Als Herausgeberin der Partizan Review und Gründerin der New York Review of Books bestimmte Elizabeth Hardwick maßgeblich das literarische Leben in den USA. Mit „Schlaflose Nächte“ schrieb sie 1979 ihren bedeutendsten Roman, der noch heute durch seine kluge, erfahrungsgesättigte Beobachtungsgabe und seine lässige Form besticht. Ein Lieblingsbuch von Joan Didion und Susan Sontag. Hardwick erzählt aus der inneren Welt der New Yorker Intellektuellen mit ihren Ambitionen und Lebenslügen. Der Roman besteht aus kleinen Porträts von Männern und Frauen. Wie eine Malerin vergisst Hardwick nie die Augen der Menschen zu beschreiben, die verstrickt sind in Ehen, Affären, sexuelle Anekdoten, Geldnöte und den Abstieg in Armut und Alter. Elektrisierend wirkt ihr Erzählton freundlicher Melancholie, der dennoch keine bittere Wahrheit verschweigt.

Elizabeth Hardwick: Schlaflose Nächte | Aus dem Englischen von Anette Grube | AKI | 192 Seiten | 22 €

Thomas Linden

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Thunderbolts

Lesen Sie dazu auch:

Ein Buch entsteht
Lilian Peter bei Proust in Essen

Warum streiten wir?
Svenja Flaßpöhler liest im Medienforum Essen

Ein Meister des Taktgefühls
Martin Mosebachs Roman „Die Richtige“ – Textwelten 05/25

Perspektiven der Generationen
Anna Melikova in der Zentralbibliothek Düsseldorf

Flauschige Comedy
Sandra Da Vina im Steinhof Duisburg

Unglückliche Ehen
„Coast Road“ von Alan Murrin – Literatur 04/25

Die Kunst der zärtlichen Geste
„Edith“ von Catharina Valckx – Vorlesung 04/25

Über Weltschmerz sprechen
„Alles, was wir tragen können“ von Helen Docherty – Vorlesung 04/25

Ein wunderbarer Sound
Natalia Ginzburgs Roman „Alle unsere Gestern“ – Textwelten 04/25

„Die großen Stiftungen scheinen es nicht zu kapieren“
Gerd Herholz über sein Buch „Gespenster GmbH. Interventionen aus dem Ruhrgebiet“ – Interview 04/25

Verlustschmerz verstehen
„Als der Wald erwachte“ von Emma Karinsdotter und Martin Widmark – Vorlesung 03/25

Cool – cooler – Aal
„Egal, sagt Aal“ von Julia Regett – Vorlesung 03/25

Literatur.

HINWEIS