Das Festival „Il Cinema Ritrovato“ findet jährlich im Juni statt und ist bekannt für seine Aufführungen restaurierter Filmkopien aus aller Welt und einen Schwerpunkt für Raritäten aus der Frühzeit der Filmgeschichte. Vor ein paar Jahren saß ich selbst an einem lauen Sommerabend auf der malerischen Piazza Maggiore in Bologna und wartete gemeinsam mit hunderten anderer Cineasten auf den Sonnenuntergang, um ein Frühwerk von Charlie Chaplin zu erleben, woran ich mich heute noch begeistert erinnere. Denn das Konzept von Filmerlebnissen unter freiem Himmel triggert auch heute noch die Urinstinkte des Mediums als Jahrmarktsattraktion und Wanderkino, das Ende des 19. Jahrhunderts kollektive Weltfluchten im öffentlichen Raum ermöglichte.
Auch im Sommer 2019 gehen die Kinos im Ruhrgebiet wieder auf die Straße. Die teils beeindruckende Kulisse kaschiert allerdings nicht, dass das Programm vielfältiger sein könnte. Ob im Landschaftspark Duisburg-Nord, in der Fiege Kino Lounge in Bochum, auf Zollverein in Essen oder auf der Seebühne im Dortmunder Westfalenpark – die Auswahl folgt größtenteils dem Mainstream. Im besten Fall versteckt sich zwischen den üblichen Comic-Blockbustern und deutschen wie Hollywood-Komödien ein Kult-Film wie die „Rocky Horror Picture Show“. Die Open Air-Reihe der Film und Medienstiftung NRW bringt Kino immerhin an Orte, die nicht unbedingt als Hotspots der Filmkunstszene gelten. In Castrop-Rauxel, Rheinberg, Hünxe, Hille oder Drensteinfurt sind bis Ende August 19 Filme auf einem Golfplatz oder einer Burg zu sehen, veranstaltet mit lokalen Partnern und bei freiem Eintritt.
Ein paar inhaltliche Ausreißer gibt es im August trotzdem. Die Oberhausener Lichtburg zeigt Bob Fosses „Cabaret“ auf dem Museumsbahnsteig am Hauptbahnhof, in Hagen präsentiert das Babylon Open Air Chaplins „Moderne Zeiten“ und im Erdgeschoss des Conti City Parkhauses Duisburg flimmert F.W. Murnaus „Der letzte Mann“ über die provisorische Leinwand, musikalisch begleitet von Interzone Perceptible.
Etwas Gutes haben die Wiederholungen bei den hiesigen Open Air-Events ja auch. Wer hervorragende Filme wie „Blackkklansman“, „Bohemian Rhapsody“ oder „Gundermann“ verpasst hat, kann diese nun doch noch auf großer Leinwand erleben. Und wer beim Lesen dieser Zeilen auf einen grauen Himmel schaut, sei daran erinnert, dass es auch im August ein vielfältiges Indoor-Programm gibt, über das wir auf den kommenden Filmseiten gewohnt umfangreich informieren. Abschließend sei gestanden, dass mir der von der italienischen Sonne aufgewärmte Steinboden der Piazza Maggiore und der Plausch mit ein paar italienischen Studierenden sogar in lebhafterer Erinnerung geblieben ist als der Film, der dort gezeigt wurde. Der vielfältigen Magie des Kinos hat dies trotzdem keinen Abbruch getan.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
„Viel Spaß beim Film“
Vom Ende der Platzanweiser:innen – Vorspann 04/24
Was läuft im Kino?
Über die Programmierkunst echter und gespielter Helden – Vorspann 03/24
Prognose: Lachstürme
Die Komödie findet endlich ins Kino zurück – Vorspann 02/24
Emanzipation und Alltag
Starke Protagonistinnen im Januar – Vorspann 01/24
Was vom Kinojahr übrig bleibt
Rückblick 2023 – Vorspann 12/23
Lost Place – Found
Vor 10 Jahren feierte das Hamburger Rialto ein zweites Leben – Vorspann 11/23
Künstler:innenportraits im Oktober
Neue Filme von Margarethe von Trotta und Wim Wenders – Vorspann 10/23
„Barbenheimer“ goes Artiplex
Lösen sich die Kinounterschiede auf? – Vorspann 09/23
Die Geschichte eines „Wochenendes“
Herr Schier und seine Agenturen – Vorspann 08/23
Kein Sommerloch in Sicht
Mit Blockbusterkino und Open Air – Vorspann 07/23
Cannes kann
Neue Werke von Hausner und Glazer an der Croisette – Vorspann 06/23
Die Scheiben des Kinos
Vom Zauber der Gebäude und Menschen – Vorspann 05/23
„Ich wollte die Geschichte dieser Mädchen unbedingt erzählen“
Karin de Miguel Wessendorf über „Kicken wie ein Mädchen“ – Portrait 04/24
Sichtbarkeit vor und hinter der Leinwand
Das IFFF fordert Gleichberechtigung in der Filmbranche – Festival 04/24
„Ich mag realistische Komödien lieber“
Josef Hader über „Andrea lässt sich scheiden“ – Roter Teppich 04/24
The Monk And The Gun – Was will der Lama mit dem Gewehr?
Start: 1.8.2024
„Kafka empfand für Dora eine große Bewunderung“
Henriette Confurius über „Die Herrlichkeit des Lebens“ – Roter Teppich 03/24
„Alles ist heute deutlich komplizierter geworden“
Julien Hervé über „Oh la la – Wer ahnt denn sowas?“ – Gespräch zum Film 03/24
Bären für NRW-Filme?
21. NRW-Empfang im Rahmen der 74. Berlinale – Foyer 02/24
Zwischen uns das Leben
Start: 1.5.2024
Der Junge, dem die Welt gehört
Start: 2.5.2024
Bad Director
Start: 9.5.2024
Robot Dreams
Start: 9.5.2024