Wie wohl Quentin Tarantino zu den Filmen der Cannon Brothers steht, die in den 1980er Jahren hemmungslos A- und B-Movies raushauten? Beim Jerusalem Film Festival gibt es vom 26. bis 31. August die Antwort – und Tarantino präsentiert seine ganz persönliche Cannon-Hommage.
Das zweite Leben der Filmfirma Cannon beginnt Anfang der 1980er Jahre. Menahem Golan und sein Cousin Yoram Globus waren beide schon große Namen in Israel – und wollten dann, nach unzähligen Erfolgen wie „Eis am Stiel“, doch mal in Hollywood Fuß fassen. „Natürlich hat auf uns keiner gewartet“, erzählte Menahem Golan. „Im Gegenteil. Wir sahen uns um und stellten fest, dass den Großteil des Tages in Hollywood gar keine Filme produziert werden. Nur zehn Prozent der Tagesaktivitäten gehen ins Filmemachen, der Rest besteht nur aus Reden und Diskutieren. Das ist auch der Grund, warum man uns nie auf Partys oder Tennisplätzen findet. Wir wollen lieber Filme produzieren.“
Mittlerweile gibt es zwei Dokus über Golan und Globus, die mit Feuereifer den ganzen Tag telefonierten, mittags aus Pappschachteln aßen und am Abend Premierenfeiern im firmeneigenen Parkhaus abhielten, weil das eben günstiger war. „Wir sparen das Geld lieber für den Film“, sagten sie nonchalant.
Neben den berühmt-berüchtigten Chuck-Norris-Reißern „Missing in Action“ und „Delta Force“ reaktivierten sie Charles Bronson für drei „Death Wish“-Sequels, klingelten gleichzeitig bei Peter Bogdanovich, Lina Wertmüller und Jean-Luc Godard an. „Sagen Sie Bogdanovich, dass er ein Zuhause braucht“, schrien sie dessen Agenten an. „Er hat keins. Bei uns bekommt er ein Zuhause. Er gehört dann zur Cannon Family und kann endlich wieder gute Filme drehen.“
Auch ins Kino-Business streckten Golan und Globus ihre Fühler aus – und übernahmen in Italien und Großbritannien ganze Ketten. In Deutschland ließ UFA-Chef Heinz Riech sie 1985 einfach abblitzen, bevor sie es mit den Wiesbadener Ewert-Kinos versuchten. Golan und Globus stiegen dazu drei Jahre mit 50 Prozent in Sam Waynbergs Münchner Scotia-Verleih ein, der nach „Red Scorpion“ allerdings die Reißleine zog und sich im Zuge der Cannon-Insolvenz lieber den Carolco-Hits „Total Recall“ und „Basic Instinct“ widmete.
Beim Jerusalem Film Festival wird Tarantino acht seiner Lieblings-Cannon-Filme zeigen, beginnend mit Barbet Schroeders „Barfly“ und Andrej Konchalovskys „Runaway Train – Express in die Hölle“. Es folgen die vier J.-Lee-Thompson-Werke „The Ambassador“, „Kinjite – Forbidden Sibjects“, „Death Wish 4 – Das Weiße im Auge“ und „10 to Midnight – Ein Mann wie Dynamit“, Paul Nicholas‘ „The Naked Cage“ sowie Golans selbstinszenierter Anti-Terror-Thriller „Delta Force“. Was wohl eine neue Generation zu diesen Filmen sagt, die seinerzeit kaum beachtet wurden oder lediglich Achtungserfolge erzielten?!
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