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„norway today” im Bochumer Theater Unten
Foto: Diana Küster

Lohnt zu sterben

22. Dezember 2011

„norway.today“ im Bochumer Theater Unten – Theater Ruhr 01/12

Jugendtheater heißt ja häufig nur „mit der Jugend ins Theater gehen“. Auch wenn jede und jeder einzelne von uns es sicherlich für sehr sinnig erachtet, dass die Schule eine neue Generation ins Theater zwingt, ein so kommentarfreudiges und lebhaftes Mitpublikum kann einem schon mal auf die Nerven gehen. Nichtsdestotrotz ist so ein Abend für Theaterbesucher jenseits der Pubertät höchst interessant und auch amüsant, denn man muss sich nicht erst lange fragen, was die Zuschauenden um einen herum so von der Inszenierung halten, man bekommt es unweigerlich mit. Längen werden mit Handyspielen quittiert, sexuelle Anspielungen mit Kichern und anrührende Momente auch gerne mal mit ehrlichem Schweigen belohnt.

„norway.today“, das Zwei-Personen-Stück von Igor Bauersima, das als Auftragsarbeit für das Düsseldorfer Schauspielhaus entstand, hat sich mittlerweile als Dauerbrenner des Jugendtheaters etabliert. Martina van Boxen gelingt es, sich mit ihrer Inszenierung auf das Publikum einzustellen und dabei weder anbiedernd noch aufgesetzt zu wirken. Das Stück handelt von den lebensmüden Melancholikern Juli und August, die sich beim Chatten in einem Selbstmordforum kennenlernen. Wozu es sich zu leben lohnt? Beide finden keine Antwort darauf: Die Menschen sind schlecht, die Ressourcen knapp, alles Fake, alles langweilig. Aber Juli möchte nicht alleine in den Freitod gehen, und August meldet sich, um mitzugehen. Gemeinsam treten sie die Reise nach Norwegen an, dort wollen sie sich von einem Fjord in den Abgrund zu stürzen. Soweit der Plan. Juli bezahlt für beide, und Juli diktiert auch die Spielregel im Spiel um Nähe und Distanz. Als die beiden ihre Abschiedsvideos drehen, bekommt das Spiel eine andere Dimension; bei der Lust am Spielen, am „Sich Verstellen“ bröckeln die Fassaden, und die beiden sehen die Möglichkeit einer Liebe. Dass das so vorhersehbare Zueinanderfinden von Juli und August gar nicht peinlich ist, ist der Inszenierung zu verdanken, die gekonnt ironisch bricht, was sonst schnell unangenehm pathetisch hätte werden können. Die frisch erblühte Liebe lässt die beiden Weltschmerzkranken aber nicht plötzlich einen Lebenssinn finden; einen Sinn im Freitod finden sie nun auch nicht mehr. Ende offen.

„norway.today“ I Di 17.1., 19.30 Uhr I Theater Unten, Bochum I 0234 55 55 44 44

ANNA SCHIFF

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