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„Das Leben der Bohème“
Foto: Diana Küster

Fauler Zauber

27. Juni 2012

„Das Leben der Bohème“ in Bochum - Theater Ruhr 07/12

Eine Bühne (Ausstattung: Johanna van Gehren) als Zauberkasten der Fantasie. Mehr Sperrmüll als Wohnung, und doch leben drei Menschen darin – und fühlen sich wohl. Zentraler Punkt ist die Dusche, die nicht nur Eingangstür, sondern auch Zimmer ist. Möbliert wohnen hier die Künstler, möbliert mit Taschen und Kisten, mit Sofa und Decken und einem Sammelsurium an Gegenständen, die sie, so könnte man manchmal meinen, wohl selbst gerade erst wiederentdecken. Barbara Hauck hat darin mit fünf grandios aufgelegten Schauspielern „Das Leben der Bohème" inszeniert nach dem Film von Aki Kaurismäki.

Der ist inspiriert von Henri Murgers Roman„Scènes de la vie de bohème"und Puccinis Oper„La Bohème".Alles beginnt damit, dass der glücklose Schriftsteller Marcel (köstlich: Manfred Böll) seine Behausung wegen Mietschulden verliert. Es zieht ein: der wirre Komponist Schaunard (klasse: Roland Riebeling), der ein Klavier auf Tapete mitbringt, die herrenlosen (Sperrmüll-)Möbel übernimmt und im Gegenzug Marcel weiter wohnen lässt. Dazu stößt noch der Maler Rodolfo (überzeugend: Daniel Stock), der als Albaner illegal in Paris lebt. Zusammen schlagen sich die drei Lebenskünstler nun am Rande des Existenzminimums durch. Arm, aber voller Lebensfreude und (ohne Grund) ziemlich selbstbewusst.

Dazu stößt noch die wilde Kellnerin Mimi (intensiv: Katharina Bach), die ohne Bleibe in der Metropole ankommt und von Rodolfo aufgenommen wird. Barbara Hauck inszeniert eine großartige Choreografie zwischen Slapstick und Jonglage, zwischen Gefühl und Ohnmacht und weit entfernt vom gängigen Theaterfirlefanz. Mimi gerät aus Faszination in den Strudel der Möchtegern-Bohème, sie versucht sich zu entziehen, doch draußen lauert nur der Tod. In der Kommune Chaos dreht sich alles ums Geld, Rodolfo trifft auf den Zuckerfabrikanten (wandelbar: Klaus Weiß), der seine Bilder kauft. Geld ist da und wieder weg. Der Albaner wird abgeschoben und von den Freunden per Pappkarton (Trabbi) wieder ins Land geschmuggelt. Als Mimi dann todkrank in der Dusche liegt, da zeigen sich die wahren Qualitäten dieser Allianz, da werden die Männer zu Göttern der Menschlichkeit. Sie opfern alles Geld und Zeit, um ihr den Abschied so schön wie möglich zu machen. Ein echt gelungener Erstling von Barbara Hauck.

„Das Leben der Bohème“ I wieder ab September I Theater Unten, Bochum I 0234 33 33 55 55

PETER ORTMANN

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