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POLITIK-LABOR – Ein Thema, drei Schwerpunkte: Aufmacher, Interviews, Europa-Artikel, Glosse und Lokaltexte aus Köln, Wuppertal und dem Ruhrgebiet

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Composing: Robert Michalak
 

Kunst und Kultur / Politik im Blut
Intro (Link zur Langfassung)

Dann sparen wir halt bei der Kultur. Bei klammen öffentlichen Kassen gehören Museen, soziokulturelle Zentren und ähnliche Einrichtungen zu den ersten Leidtragenden. Das fällt leicht, weil Kultur weitgehend zu den „freiwilligen Leistungen“ der Kommunen zählt und es plausibel ist, dass ein unterfinanziertes Abwassersystem eher in die Katastrophe führt als ein verringertes Theater-Angebot. Kultur bleibt so unterfinanziert, existentiell bedroht von möglichen Sparmaßnahmen, ein Arbeitsort, der auf Förderprogramme, Stipendien und Preisgelder angewiesen ist. Kunst und Kultur sind Orte für Unterhaltung, Diskussion, Kritik, Streit, Orientierung, Selbstvergewisserung, Erkenntnis, Schönheit, Genuss, Fremdes, Vertrautes, für scharfe Analyse oder wohligen Eskapismus. Das heißt auch: Kultur ist zutiefst politisch, Multiplikator von Weltanschauungen und Vorurteilen und deren Widerrede, sie stützt den Status quo und rüttelt zugleich daran. Wie steht es um Kultur und Kunst, ihre gesellschaftliche Rolle, ihre Freiheit, ihre Zukunft?

Kunst und Kultur / Politik im Blut
Teil 1: Freie Szene

Die freie Kulturszene gilt als besonders experimentierfreudig. Dazu tragen zumindest vielerorts flachere Hierarchien, lockere Strukturen und eine gewisse Mobilität bei. Dem gegenüber stehen unsichere Arbeitsverhältnisse und Finanzierungsprobleme. Förderungskürzungen treffen sie besonders. Die freien Strukturen können dazu beitragen, ein vielfältigeres Publikum zu erreichen, das die heterogene (Stadt-)Gesellschaft in ein gemeinsames Gespräch vertiefen kann. Sie können auch dazu beitragen, schneller oder treffender gesellschaftliche Entwicklungen zu kommentieren oder Lösungen vorzuschlagen, nicht zuletzt: auf politische Entwicklungen in der Region einzugehen. Hohes Kritikpotential (Widerstandspotential?) und wirtschaftliche Verwundbarkeit legen auch nahe, dass freie Kulturschaffende leicht in den Fokus politischer Gegner geraten. So sind nicht zuletzt sie betroffen vom Rechtsruck und einer wahrscheinlicher werdenden (schon sichtbaren?) Neuausrichtung der Kulturförderung. Wie frei ist die freie Szene?

Kunst und Kultur / Politik im Blut
Teil 2: Städtische Häuser

Städtische Kulturhäuser gelten als privilegiert, da solide finanziert. Sie stehen für vielfältige Ausstellungen sowie niedrigschwellige Zugänge. Bibliotheken stellen schier kostenlos unüberschaubare Mengen an Büchern, Zeitungen, Zeitschriften, Filmen und Tonträgern bereit. Deutschlands Museen gelten als seriös, als Orte für Bildung und demokratischen Austausch. Viele Einrichtungen blicken auf eine problematische Vergangenheit, auf Verstrickungen in Kolonialismus, mit denen sie sich mitunter glaubhaft selbstkritisch auseinandersetzen. Ähnlich aktualisieren Schauspielbühnen Klassiker, entwerfen neue Stoffe oder legen den spielerischen Umgang mit Fragen nahe, die sonst nur noch verhärtet verhandelt werden. Weniger als der ÖRR sehen sich die vor Ort verankerten öffentlichen Museen und Bühnen dem Verdacht ausgesetzt, „von oben“ orchestriert zu sein. Der große Theaterskandal oder das schockierende Bühnenexperiment scheinen allerdings der Vergangenheit anzugehören, da Unerhörtes und Provokationen sekündlich über Bildschirme flimmern. Warum gibt es (zum Glück) öffentliche Museen und Bühnen?

Kunst und Kultur / Politik im Blut
Teil 3: Kulturpolitik

Eine Kulturszene gilt als unverzichtbar, um Tendenzen nationaler Überhöhung entgegenzuwirken und Ungerechtigkeiten deutlich zu machen. Sie stellt Selbstverständlichkeiten infrage und eröffnet Alternativen. Die sog. Kulturkämpfe der Politik lenken ab von handfesten politischen Fragen. Sie eignen sich zur Stimmungsmache, weil sie nicht an Fachwissen gebunden sind, sondern persönliches Erleben und Gefühl hinreichen. Fragen von Geschlecht, Sexualität, Religion, Migration, nationaler Identität oder Sprache erzeugen Konflikte, die von Verengung geprägt sind. Experiment und Versuch in Kunst und Kultur sträubt sich gegen propagandistische Vereinnahmung – im Gegensatz zu Strömungen, die Wirklichkeit vorzuschreiben versuchen. Wie steht es um Freiheit und Diversität von Kunst und Kultur? Wird sie durch den Rechtsruck eher beflügelt oder beschneidet sie sich in vorauseilendem Gehorsam? Sind sich politisch Verantwortliche der Probleme bewusst, gehen sie sie an, oder rufen sie Nebenschauplätze aus, auf denen es letztlich um nichts geht?

Kunst und Kultur / Politik im Blut
Teil 4: Wer hat Angst vor Kunst? – Europa-Vorbild: Ungarn

Die politische Lage in Ungarn wird von einer Kulturpolitik geprägt, die rechte Ideologien fördert und kritische Ausdrucksformen unterdrückt. Gerade deshalb ist das Engagement der OFF-Biennale so bedeutsam: Die Plattform schafft Freiräume für Kunst, die gesellschaftliche Konflikte beleuchtet und Minderheiten, Umweltfragen sowie soziale Gerechtigkeit thematisiert. Sie wurde 2015 als basisdemokratische Bewegung gegründet und verfolgt das Ziel, die Unabhängigkeit der lokalen Kunstszene zu stärken. Als bewusst nicht staatlich geförderte Plattform schützt sie sich vor politischer Einflussnahme. Wie es auf der offiziellen Homepage heißt: „OFF hat sich niemals um öffentliche Mittel in Ungarn beworben und die Zusammenarbeit mit staatlichen Kunstinstitutionen vermieden, eine Haltung, die … als unumgänglich erachtet wird, um die freie Meinungsäußerung und professionelle Integrität aufrechtzuerhalten.“ Die Biennale versteht sich damit „radikal politisch“ und nimmt Stellung gegen nationalistische und autoritäre Entwicklungen.

Kunst und Kultur / Politik im Blut
Teil 5: Glosse – Was hat Kultur denn gebracht?

Ist das Kunst oder kann das weg? In Zeiten klammer Kassen ließe sich dieser alte Werbeslogan umformulieren: Das ist Kunst und Kultur, das kann eingespart werden. Kommunen kommen kaum hinterher, ihre Finanzlöcher zu stopfen und was ist bitte wichtiger: Das Theater oder das Abwassersystem. Soziokulturelle Zentren oder ein gut besetztes Bürgerbüro. Und überhaupt: Gibt’s ja eh alles online. Wenn der deutsche Bundeskanzler schon den Sozialstaat für nicht mehr finanzierbar hält, wie überflüssig ist dann der Kulturstaat? Was hat sie uns schon gebracht, die Kultur? Demokratie, Menschenrechte, die Reflektion unserer eigenen Vorurteile – anstrengend sowas, stört beim Durchregieren, ist kein Black-Rock-Vermögenswert – naja, letzteres stimmt nicht ganz, man muss nur einmal eine Versteigerung bei Sotheby’s anschauen. Kulturelle Austerität führt in intellektuelle Verarmung. Zu politischen Figuren, ausschließlich getrieben von Machtgeilheit und Eitelkeit. Die können weg. Das allein wäre Kunst.

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