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Kinoleiter Ralf Kolecki im denkmalgeschützten Foyer
Foto: Betty Schiel

Im Zeichen der Zeit

30. Mai 2012

Ralf Kolecki über den Schauburg Filmpalast – Kino.Ruhr. 06/12

Der altehrwürdige Schauburg Filmpalast in Gelsenkirchen-Buer von 1929 gehört zu den ältesten Kinos in Deutschland und bietet auch heute modernste Kino-Technik und den alten Charme im denkmalgeschützten, holzvertäfelten Foyer. Zwischen Kunst und Kommerz passt sich die alte Dame den jeweiligen Anforderungen an, wie Kinoleiter Ralf Kolecki im Gepräch mit dem trailer schildert.

trailer: Herr Kolecki, was für ein Kino war die Schauburg in den Anfängen?
Ralf Kolecki
: Ein klassisches Erstaufführungskino, das von Anfang an auch multifunktional genutzt wurde. Die ganze Bandbreite: Theater, Oper und Operette. In den 50er Jahren haben hier auf der Bühne sogar Boxkämpfe stattgefunden. Es gab neben dem Kino noch die Schauburg-Gaststätten mit Tanzveranstaltungen und die sehr beliebten „Jekami“-Abende: Jeder kann mitmachen! Die Schauburg ist ganz klar eine Buer’sche Institution. 1923 ist Buer mit Gelsenkirchen und Horst zusammengelegt worden, was die Bueraner zum Teil bis heute noch nicht so verkraftet haben. Buer war nicht so die Arbeiterstadt wie Gelsenkirchen, sondern immer ein bisschen bürgerlicher, und da hat sich die Bürgerschaft hier diesen Vergnügungstempel gegönnt.

Der Saal hatte früher die für heute sensationelle Größe von 1400 Plätzen.
Das war in der damaligen Zeit gar nicht so ungewöhnlich. Kino hatte natürlich einen ganz anderen Stellenwert. Zu Spitzenzeiten gab es über 50 Kinos in Gelsenkirchen. Die Kinolandschaft hat durch den Multiplex-Boom Anfang der 90er Jahre ziemlich stark gelitten. Bis auf das Multiplex ist in Gelsenkirchen mit etwa 260.000 Einwohnern kein einziges Kino mehr übrig geblieben.

Wie sind Sie mit der Situation des großen Saals umgegangen, der heute nicht mehr zeitgemäß ist?
Wir haben das Kino 1995 übernommen. Der Umbau hatte schon 1980 stattgefunden, zum Glück recht moderat. Es gibt andere Kinos dieser Größe, aus denen man in den 70er Jahren die sogenannten Schachtelkinos gemacht hat, die irgendwann extrem verpönt waren. Hier ist 1980 nur der ehemalige Rang abgetrennt worden, und da ist noch mal ein sehr schönes Kino mit knapp 300 Plätzen entstanden, das Lux, das einen ganz anderen Charakter hat und bei den Leuten auch sehr beliebt ist. Wie ein Amphitheater hat das Lux stark aufsteigende Sitzreihen und bietet den entsprechenden Komfort wie heute die Multiplexe. Lux ist der erste Saal, der digitalisiert ist und auch mit 3D-Technik ausgestattet ist.

Was genau bedeutet Digitalisierung in einem Kinosaal?
In unserem Bereich mit der ganzen Palette von Arthouse bis zu den Filmen der amerikanischen Major-Companies muss ein Projektor angeschafft werden, der der sogenannten DCI-Norm entspricht in Bezug auf die Auflösung, Helligkeit und, ganz wichtig, die Sicherheits-Richtlinien. Der digitale Projektor ist ein recht großer Klotz mit einer Lampe. Dazu gehört ein Server, sprich eine Festplatten-Einheit, auf der der Film gespeichert wird. Die muss entsprechend gesichert sein, dass man von dem Film keine Raubkopie ziehen kann, die dann Blu-ray-Qualität hätte. Ein Passwort, das per Mail zu uns kommt, stellt sicher, dass wir den Film dann zeitlich limitiert abspielen können.

Könnte man die Filme nicht auch direkt von einem zentralen Server herunterladen?
Das wäre grundsätzlich vielleicht möglich, aber das sind sehr große Einheiten: Ein 3D-Film kommt locker auf 300 Gigabyte. In den Startlöchern steht eine Technik, wo das per Satellit eingespielt wird. Das bietet später eventuell auch die Option, andere Übertragungen live ins Kino einzuspielen, seien es Sportveranstaltungen, Opern- oder Ballett-Aufführungen.

Wäre das hier technisch schon möglich?
Das ist in der Vorbereitungsphase. Es muss noch eine Satelliten-Schüssel aufs Dach.

Was kostet die Digitalisierung in diesem Umfang, wie es hier gemacht wurde?
Gerade, wenn es Richtung 3D-Technik geht, wird es richtig teuer. Wir haben uns entschlossen, das Beste zu nehmen, was auf dem Markt ist. Da ist man schon fast im sechsstelligen Bereich.

Wie lässt sich das bei den heutigen Besucherzahlen überhaupt finanzieren?
Man kommt natürlich nicht mehr an die Besucherzahlen der 50er Jahre ran, aber eigentlich ist die Kino-Branche derzeit ganz gut aufgestellt. 3D ermöglicht höhere Eintrittspreise. Es gibt dann recht komplexe Finanzierungsmodelle: Die Filmverleihe haben große Einsparungen, weil die Kosten für die 35mm-Filmkopien entfallen. Förderung gibt es auch noch auf Landesebene oder von der Filmförderungsanstalt in Berlin.

Wie gestaltet sich die Programmstruktur hier?
Wir sind darauf angewiesen, die großen Erstaufführungsfilme zu spielen, weil die das Geld bringen. Wir versuchen aber darüber hinaus, anspruchsvolle Unterhaltung zu bieten. Natürlich hat eine Stadt wie Gelsenkirchen nicht das Potential, ein reines Arthouse-Kino zu unterhalten. Was wir hier seit gut 40 Jahren mit der Stadt extrem erfolgreich machen, ist das Kommunale Kino. Da kommen Filme zur Aufführung, die sonst in Gelsenkirchen im normalen Programm keine Chance hätten.

Dann gibt es ja noch den geheimnisvollen Filmclub Buio Omega.
Das ist bundesweit eine einzigartige Institution, ein reines Fanprojekt. Vier Leute, die 35mm-Kopien sammeln, die sie über irgendwelche Kanäle auftreiben. Seit 13 Jahren gibt es jeden Monat ein Doppel-Programm. Unglaublich, welche Filme sie aus der Versenkung hervorzaubern, die in den 70er und 80er Jahren tatsächlich mal im Kino gelaufen sind. Trash und Exploitation ist der Schwerpunkt.

Man hat das Gefühl, dass die Schauburg gut aufgestellt ist für die Zukunft.
Die Stadt Gelsenkirchen hat eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Hintergrund ist, dass in Gelsenkirchen ein Veranstaltungsraum fehlt, der auch anders genutzt werden könnte und etwa 1000 Plätze hat. Da ist irgendjemand auf die Idee gekommen, man könne doch den alten Saal wiederherstellen. Weil auf dieser Basis aber das Kino nur schwer überlebensfähig wäre, steht im Raum, insgesamt fünf Säle zu bauen mit Aufstockung des Daches. Ich will nicht sagen, das sind abenteuerliche Maßnahmen, aber das wäre schon ein sehr riesiger Bauumfang.

Wünschen Sie sich das?
Es wäre schon spannend, den großen Saal originalgetreu zu rekonstruieren und noch ein paar mehr Säle zu haben, aber andererseits ist die ganze Finanzierung sehr fraglich. Das bewegt sich in einem Bereich, der einem den Atem stocken lässt. Aber ob und wann das voran geht, darauf haben wir wenig Einfluss. Das obliegt der Stadt Gelsenkirchen, der das Haus gehört.

Interview: Betty Schiel

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