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Kinobetreiber Peter Fotheringham und Suse Solbach
Fotos: Betty Schiel

„Wir sind die Bewahrer des Filmguts“

25. August 2011

Die drei MacherInnen des Dortmunder Kinos sweetSixteen sind nach jahrelangem Engagement endlich sesshaft geworden – Kino.Ruhr 07/11

Mit viel Liebe und einer gehörigen Portion Selbstausbeutung sind Peter Fotherinham, Frank Haushalter und Suse Solbach seit fast zehn Jahren mit ihren legendären 16mm Film-Events am Start. Seit 2009 betreiben die Sweeties nun das Kino im Depot in Dormund. Sie sind Filmenthusiasten, die einen der schönsten Kulturräume in der Dortmunder Nordstadt geschaffen haben mit einem Filmprogramm, das seinesgleichen sucht. Seit einigen Monaten ist auch Beagle Henri nicht mehr aus dem sweetSixteen wegzudenken.

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: Herr Fotheringham, wie seid Ihr auf den Namen sweetSixteen für das Kino gekommen?
Peter Fotherinham: Als wir 2002 angefangen haben mit unserer Kino- und Filmarbeit haben wir wochenlang Listen zusammengestellt. Dann ist mir zufällig im Schlaf sweetSixteen aufgeleuchtet (lacht). Ich bin aufgestanden und wusste: Das ist der Name! Wir haben unsere Filmveranstaltungen mit 16mm-Filmen angefangen, also war die Idee, das Format im Namen aufzunehmen: „Die süßen sechzehn“.

Wie ging es los?
Wir haben mit fünf Personen in wechselnder Besetzung gestartet, die sich aus den Programmkinos in Dortmund kannten, wo wir alle lange gearbeitet haben. Wir mussten zusehen, wie ein Kino nach dem anderen geschlossen hat und fanden es furchtbar schade, wenn ein original 50er Jahre-Kinosaal verschwindet, und nach einer Woche da ein Kick-Markt drin war. Wir wollten aber nicht darüber lamentieren, sondern versuchen, dem etwas Positives entgegen zu setzen. Da haben wir halt angefangen einmal im Monat Filmclub-Veranstaltungen mit 16mm-Filmen im Theater im Depot zu veranstalten.
Unsere Veranstaltungen waren immer sehr aufwändig mit einem Live-Event, das zu dem jeweiligen Film passte, und wir haben eine komplette Dekoration im Saal aufgebaut, z.B. eine Höhle bei „Ronja, die Räubertochter“ mit richtigen Baumstämmen. Es gab viele technische Möglichkeiten im Theater: 150 Scheinwerfer, da kann man allein mit dem Licht schon eine Menge machen, und damit haben wir auch gerne gespielt (lacht).

Gehört zum Inventar des sweetSixteen-Kinos im Depot, der Beagle Henri

Wart Ihr auch an anderen Orten?
Ein positiver Nebeneffekt unseres 16mm-Equipments war, dass wir damit flexibel waren und eigentlich überall spielen konnten. Wir haben gleich im ersten Jahr ein Open Air-Kino gemacht im Fredenbaumpark, was uns beinahe ruiniert hätte und auch einen Kollegen gekostet hat, der danach ausgestiegen ist. Es hat in Strömen geregnet. Wir standen bis zu den Knien im Wasser, hatten unser ganzes Geld da rein gesteckt, unsere ganze Hoffnung, unseren ganzen Enthusiasmus. Und dann saßen da drei Leute mit Regenschirmen (kichert). Total süß eigentlich, aber irgendwie auch bitter damals. Na ja. Kokerei Hansa haben wir gemacht, Phoenixhalle, Open Air im Rombergpark...

Was hat euch geritten dann im Jahr 2009 im Depot ein festes Kino zu starten?
Es war uns damals noch gar nicht klar, was für einen Blödsinn wir da eigentlich tun (lacht). Wir wollten schon immer eigene Räume betreiben und dem Trend etwas entgegensetzen. Ein ganz wichtiger Punkt für uns war, dass wir mit dem Filmangebot in Dortmund nicht zufrieden waren. Wir finden die Filme, die hier laufen, in der Regel okay, aber es gibt ja noch Hunderte andere Filme, die hier kein Forum finden und nicht in den Kinos laufen, weil sie vielleicht nicht kommerziell und erfolgreich genug sind.

Woher weiß man, welcher Film erfolgreich sein wird?
Es gibt deutliche Signale. Wenn der Verleih mit 350 Kopien startet und ein erhebliches Werbeetat hat, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es ein erfolgreicher Film wird, sehr hoch. Das sind die Filme, die von den Kinos gebucht werden, und dann über Wochen und Monate die Säle blockieren. Zeitgleich erscheinen oft 10-20 neue Filme von kleineren Verleihen, jungen, unbekannten, außereuropäischen Regisseuren, die nur 1-3 Filmkopien haben, kaum Werbung machen, die also kein Mensch kennt.
Da weiß man vorher: Das wird kein kommerzieller Erfolg, aber es ist vielleicht ein super Film. Und das haben wir vermisst. Das sind Filme: die in Hamburg und Berlin laufen, wo es noch so viele Kinos gibt und auch Platz für Nischen. Wir sind überrascht davon, dass wir ein so großes Einzugsgebiet haben, es kommen täglich Leute, die weit anreisen, aus Bielefeld, Solingen, Arnsberg, selbst aus Essen, wo es ja eine große Kino-Szene gibt. Wir denken: Da gibt es einen Regisseur, der traut sich was und macht einen tollen Film. Dann gibt es auch noch einen Verleih, der sich was traut und bringt den raus. Und es gibt kein Kino! Was ist denn da nicht in Ordnung?

Und Ihr macht das dann?
Ja. Wir leben nicht auf dem Mond. Wir haben ja auch wirtschaftliche Zwänge und die gleichen Kosten wie andere Kinos. Miete, Technik, Transportkosten. Eigentlich ist alles gleich bis auf die Lohnkosten, weil wir ehrenamtlich arbeiten. Das ist der einzige Unterschied.

Wie geht das denn?
Ehrlich gesagt: ich weiß es nicht. Wirklich krass ist die Doppelbelastung, nicht der Arbeitsaufwand, den wir hier im Kino haben, sondern der, der dazu kommt, weil wir woanders unsere Miete verdienen müssen. Es ist ein großer Wunsch von uns, dass wir mit dem Kino ein bisschen Geld verdienen können, um nicht noch woanders arbeiten zu müssen. Wir wollen versuchen zu wachsen.

Peter Fotheringham und Suse Solbach

Was habt Ihr von Euren Anfängen mitgenommen ins neue Kino?
Als wir das Kino eröffnet haben, liefen unsere monatlichen Events im Theater schon fast sechs Jahre lang. Wir dachten, dass man uns hier in der Stadt kennt. Wir mussten aber feststellen, dass das Tagesgeschäft mit aktuellen Filmen etwas ganz anderes ist. Das Publikum, das zu den Events gekommen ist, kommt nicht ins Kino. Früher haben wir ausschließlich Repertoire gezeigt, weil es einfach keine aktuellen 16mm Filmkopien mehr gibt. Jetzt zeigen wir über 90% aktuelle Filme und fast nur Bundesstarts. Dazu kam früher noch die Einmaligkeit jeder Veranstaltung. Das ist im Tagesgeschäft so nicht realisierbar. Unsere Liebe und die Kriterien, nach denen wir die Filme aussuchen, sind gleich geblieben.

Zeigt ihr noch 16mm?
Wir sind die Bewahrer des Filmguts. Wir haben über 600 Filme, die wir geschenkt bekommen haben, z.B. von Bildstellen, die ihre 16mm-Sammlungen aufgelöst haben. Wir sammeln diese Filme, weil wir einfach nicht wollen, dass sie weggeschmissen werden. Einmal im Monat machen wir den 16mm Filmclubabend (FWU). Im Filmclub kann jeder Mitglied werden und dann kostenlos die Veranstaltung besuchen. Die Zuschauer wählen aus einer Vorauswahl selbst fünf Filme aus. Am Ende des Abends suchen sie sich dann den Schönsten aus, und am Ende des Jahres gucken wir uns dann noch mal das Best-off.

Ihr habt auch regelmäßig Filmemacher zu Gast.
Im ersten Monat hatten wir direkt Zoltan Paul hier mit „Unter Strom“. Das war ein Hammer für uns. Das war eine große Produktion, die bundesweit in allen Multiplexen gestartet ist. Ich dachte damals, das geht immer so: Man ruft halt an, kriegt den Film, und der Regisseur kommt. Im Nachhinein weiß ich, dass das was ganz Besonderes war. Es kannte uns ja noch keiner in der Szene. Das war eine tolle Sache. Man lernt sich ein bisschen kennen. Die Filmemacher sind ja meist sehr nette und interessante Menschen.

Was ist im sweetSixteen noch anders als im üblichen Kinobetrieb?
Unser Kinderwagenkino ist noch was Besonderes. Junge Eltern können ihre Babies mitnehmen ins Kino. Der Ton ist etwas leiser, das Licht bleibt gedimmt an, wir bauen für die Babies eine Spielwiese, es gibt einen Wickeltisch und Kaffee und frische Waffeln. Die Eltern dürfen sich einen Film aussuchen, d.h. es gibt auch immer hitzige Diskussionen vor dem Film. Die Babies dürfen allerdings nicht älter als 12 Monate sein.

Zeigt Ihr auch Filme für Kinder?
Das Kinderkino am Wochenende liegt uns sehr am Herzen. Wir sind selbst große Kinderfilmfans und suchen auch sorgfältig aus: Filme, die für Kinder einfach schön und gut sind. Bei dem Kinderkino zahlen wir drauf. Wir machen das trotzdem weiter, weil wir es richtig finden, dass die Kinder dieses Angebot haben. Das ist es uns Wert.

www.sweetsixteen-kino.de

INTERVIEW: BETTY SCHIEL

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