Vergiftete Wahrheit
USA 2019, Laufzeit: 128 Min., FSK 6
Regie: Todd Haynes
Darsteller: Mark Ruffalo, Anne Hathaway, Tim Robbins
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Aufrüttelndes Justizdrama nach Tatsachen
Allein gegen das Monster
„Vergiftete Wahrheit“ von Todd Haynes
Teflon kennen wir als das tolle Zeug, mit dem unsere Bratpfannen beschichtet sind und das verhindert, dass unsere Spiegeleier anbrennen. Die Chemie kennt Teflon als nahezu unzerstörbare, synthetische Perfluoroctansäure, kurz PFOA oder auch gern die „ewige Chemikalie“ genannt. Außer in Pfannen ist es auch in Teppichen, Pizzakartons, Backpapier und so fort. Das Problem: Über Nahrungsketten und Trinkwasser gelangt PFOA in unseren Organismus, wo es sich ablagert. Es wird angenommen, dass 99 Prozent aller Menschen die Chemikalie im Körper haben.
Um die Dimensionen von Todd Haynes Film „Vergiftete Wahrheit“ zu begreifen, muss man das wissen. Akribisch und konsequent chronologisch verfolgt das Tatsachendrama den fast 20 Jahre währenden Kampf des US-Wirtschaftsanwalts Robert Bilott (Mark Ruffalo), der in den Neunzigern als Partner einer angesehenen Kanzlei Chemiekonzerne vertritt. Eines Tages steht Rinderzüchter Wilbur Tennant (Bill Camp) vor der Tür. Eine neben seinem Hof gelegene Fabrik des Chemiegiganten DuPont leite und verklappe toxische Abfälle in Grundwasser und Boden, so dass seine 200 Rinder einen veritablen Horrortod gestorben seien, behauptet der Farmer. Obwohl DuPont ein Stammkunde der Kanzlei ist, lässt Kanzleichef Tom Terp (Tim Robbins) Bilott den Fall übernehmen. In den folgenden Jahren deckt der ungeheure Machenschaften und Vertuschungen von Seiten DuPonts auf, die für unzählige geschädigte Firmenangestellte und Anwohner schwere Krankheiten wie Krebs, Unfruchtbarkeit und Missbildungen bedeuten. Jahr um Jahr kämpft Bilott sich verbissen durch einen Justizkrieg gegen den übermächtigen Gegner, der sich anschickt, ihn den Job, seine Frau (Anne Hathaway) und seine Gesundheit zu kosten.
Es war Mark Ruffalo, der die Filmrechte an einem New York Times Magazine Exposé von Nathaniel Rich kaufte und Todd Haynes für die Regie verpflichtete. Erst mal eine merkwürdige Wahl, denn Haynes‘ Vorgängerfilme „Dem Himmel so fern“ und „Carol“ waren nostalgisch fotografierte, in den Fünfzigern angesiedelte Beziehungsdramen. Es stellt sich heraus, dass Haynes auch anders kann. Keine Helden, keine Happy Ends, nur kleine Siege, auf die stets wieder Rückschläge folgen. Fahle Blau- und Gelbfilter, dazu eine fast schon dokumentarische Nüchternheit und keine dramatisierenden Kniffe wie schnelle Schnitte und irre Kamerafahrten. So kann Ruffalo brillieren, nicht indem er den Hulk gibt, sondern einen gewissenhaften, teigigen Anwalt, neben dem ein Tim Robbins und eine Anne Hathaway auch ohne viele Szenen zur Geltung kommen. Die Schauspieler generieren die große Wut dieser pessimistischen „Erin Brokovich“-Version, die sagt, dass David-gegen-Goliath-Kämpfe dieser Art erstens nie enden und zweitens jeden betreffen. Im Abspann steht, dass das so profitable Teflon bis heute nicht verboten ist, genauso wenig über 600 verwandte Chemikalien. Was „Vergiftete Wahrheit“ da macht, geht über die Leistung eines Justizkrimis hinaus.
(Renée Wieder)
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