Der Zeuge
Deutschland 2022, Laufzeit: 97 Min., FSK 12
Regie: Bernd Michael Lade
Darsteller: Bernd Michael Lade, Maria Simon, Lina Wendel
>> der-zeuge-film.de
Kammerspiel des Grauens
Auf der Anklagebank
„Der Zeuge” von Bernd Michael Lade
Es hat Jahrzehnte gedauert, bis sich die deutsche Justiz wirklich nachdrücklich um die Aufarbeitung und Ahndung von Verbrechen während der NS-Herrschaft bemüht hat und auch Mitläufer und Befehlsempfänger auf die Anklagebank gebracht wurden. Ein Großteil an dieser Aufarbeitung ist auf das Engagement des Frankfurter Generalstaatsanwalts Fritz Bauer zurückzuführen, dessen Bedeutung in den letzten Jahren auch immer wieder filmisch herausgearbeitet wurde. In Spielfilmen wie „Im Labyrinth des Schweigens“ und „Der Staat gegen Fritz Bauer“, aber auch ganz aktuell in der Dokumentation „Fritz Bauers Erbe – Gerechtigkeit verjährt nicht“, hat man noch einmal verdeutlicht, welche Hürden, auch innerhalb der deutschen Justiz, es auch etliche Jahre nach Kriegsende zu überwinden galt, um alle Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. In einigen Nachkriegsprozessen, die von den Alliierten vor Ort in Deutschland oftmals auf geradezu improvisierte Weise abgehalten wurden, hatte man schon einige Jahre zuvor versucht, das Grauen der NS-Zeit zu erfassen und Einblicke in das Unglaubliche zu erhalten, das sich damals auf alltäglicher Basis in den Konzentrationslagern abspielte.
Bernd Michael Lade („Das Geständnis“) hat in seinem vierten Film als Regisseur die Biografie Carl Schrades aufgegriffen, der Jahre als Häftling in verschiedenen KZs überlebte und nach Kriegsende gegen seine Peiniger als Zeuge der Anklage aussagte. Lades Film „Der Zeuge“ ist ein minimalistisches Kammerspiel, das komplett in einer Industriehalle gefilmt wurde, wie sie den Alliierten seinerzeit als improvisierter Gerichtssaal diente. Die dialoglastige Bebilderung einiger Gerichtsprotokolle lässt dabei nahezu ausschließlich den Zeugen und die jeweiligen Angeklagten zu Wort kommen, unterbrochen jeweils nur durch die Übersetzungen ins Englische respektive Deutsche, da der Zeuge, trotz deutscher Staatsbürgerschaft, auf Englisch aussagt, die Angeklagten aber auf Deutsch. Diese konsequente Inszenierung der Redundanz, mit der man als Zuschauer in beiden Sprachen jeweils nacheinander dasselbe zweimal vermittelt bekommt, mag einem zu Beginn unsinnig und verlangsamend vorkommen. Mit der Zeit fällt es aber kaum mehr negativ auf, zumal man sich auf Abweichungen bei der Übersetzung oder auf Auslassungen zu fokussieren beginnt. Die durch den Zeugen (gespielt von Regisseur Bernd Michael Lade) geschilderten Vorkommnisse in den Konzentrationslagern sind nach heutigem Wissensstand der meisten Zuschauer kaum mehr überraschend, in so manchem Detail aber gleichwohl erschütternd und verstörend. Dadurch, dass sich auf der Anklagebank hier sowohl Mitglieder der SS und der Gestapo, aber auch „Grüne Kapos“, ein Lagerarzt oder die gefürchtete Frau des Lagerkommandanten Karl Otto Koch finden, entsteht ein sehr komplexes und vielschichtiges Bild der Abläufe und Hierarchien in diesen Todesanstalten, die dennoch bei kaum einem der Beschuldigten Reue oder Bedauern hervorrufen. Ein intensives und aufwühlendes Gerichtsdrama mit herausragenden Darstellerleistungen.
(Frank Brenner)
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