Der Auftakt im Museum DKM ist spektakulär. Im ersten Raum ragt ein geschälter, gekalkter Eichenstamm vom Boden aus schräg bis unter die Decke, gehalten von der Säule, in die er eingefügt ist. Er versperrt den direkten Laufweg und forciert das Abschreiten des Ausstellungsraumes. Dabei vermittelt der Baumstamm eine enorme Leichtigkeit und wirkt doch auf die Raumstruktur ein: im respektvollen Dialog, wie auch der Werktitel „Skulptur – Architektur“ andeutet. „Ein Äußeres ohne Inneres oder umgekehrt ist ein Volumen ohne Luft“, hat Erwin Wortelkamp 2001 zur Erstpräsentation geschrieben, die ebenfalls in Duisburg stattfand, und zwar im ehemaligen Schaufensterraum von DKM im Innenhafen, damals parallel zu Wortelkamps Ausstellung im Lehmbruck Museum und draußen, im Stadtgebiet.
Nun folgt also Wortelkamps nächster Auftritt in Duisburg, und es ist toll, dass seine Werke wieder da sind. Die Ausstellung im inzwischen eröffneten Museum DKM ist thematisch gegliedert. Sie zeigt das ganze Repertoire mit den Werkstoffen Holz und Metall, berücksichtigt auch die frühen metallischen Ummantelungen von Holzstämmen, hinzu kommen mehrere Zeichnungsgruppen. Nur die Partizipationsobjekte, die Wortelkamp in den politisierten späten 1960er Jahren erstellt hat, fehlen, hätten aber auch kaum Sinn gemacht. Wortelkamp, der 1938 in Hamm/Sieg geboren wurde und in München bei dem Eisenbildhauer Robert Jacobsen studiert hat, wurde schon früh mit seinen Baum-Skulpturen bekannt. Die abstrahierten, an der Oberfläche detailliert behandelten Skulpturen sind oft monumental, teils liegen sie auf dem Boden. Als früheste Arbeit in Duisburg ist nun die erste Eisenskulptur aus der Serie „Vielleicht ein Baum“ (1974) ausgestellt.
Zu diesen eindrucksvollen Demonstrationen von Skulpturen kommen bis heute die diskreten Gesten. So befindet sich bei DKM seitlich vom schräg aufsteigenden Baumstamm in einer Vitrine ein Baumblatt, aufgespießt von einem Zweig, die sich gegenseitig in der Balance halten. Es geht Wortelkamp eigentlich immer um die visuell erfahrbare Haptik als Qualität der Natur. Er handelt aus kunsthistorischen Traditionen heraus, das ist auch der Fall bei seiner Hommage an Hans von Marées und dessen Gemälde „Die Hesperiden“: In seiner Installation, die in Duisburg im zweiten Raum zu sehen ist, konzentriert er sich auf das Motiv der Orange als Feld auf dem Boden. Natürlich hat er darüber hinaus im Blick, dass Marées die menschliche Figur im Verhältnis zur Natur verstanden und ihre „Standfestigkeit“ erkundet hat. Und dass er seine Szenen aus aller Zeit entrückt. Von hier aus entwickelt sich die Ausstellung weiter, sie zeigt die großen blockhaften, fast grob wirkenden Köpfe und die späten hauchdünnen Holzflächen und verweist damit darauf, dass die Natur Sinnbilder für den Menschen bereit hält: weniger in seiner physischen Existenz – das auch – als in seiner psychischen Verfasstheit. Seit Jahrzehnten entdeckt Wortelkamp das Holz – mitsamt dem Metall als Äquivalent – immer wieder neu für sich: Seine konzentrierte, meditative Kunst tut in der beschleunigten, oft virtuellen Gesellschaft richtig gut.
Erwin Wortelkamp – Ein ganzes Leben für die Kunst | bis 1.3. | Museum DKM in Duisburg | 0203 93 55 54 70
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