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Nadine Engel
Foto: Museum Folkwang, Jens Nober

„Wir sind stolz darauf, diese Werke im Bestand zu haben“

30. Januar 2024

Kuratorin Nadine Engel über die Ausstellung zu Willi Baumeister im Essener Museum Folkwang – Sammlung 02/24

Das Museum Folkwang und den Künstler Willi Baumeister (1889–1955) verbindet eine lange Geschichte. Jetzt nimmt das Museum den Neuerwerb seines Gemäldes „Montaru 2d“ als Anlass für eine Ausstellung. Ein Gespräch mit Kuratorin Nadine Engel.

trailer: Frau Engel, welche Bedeutung hat Willi Baumeister für das Museum Folkwang?

Nadine Engel: Er hat eine große Bedeutung. Die erste Ausstellung von Willi Baumeister am Museum Folkwang war tatsächlich noch in Hagen 1920 – aber es ist in Essen gleich weiter gegangen mit der Ausstellungsgeschichte in den 1920er Jahren. Der damalige Direktor Ernst Gosebruch kauft eine wichtige Arbeit von Baumeister für die Sammlung an. Das war das Gemälde „Handstand“, das auf der ersten Monografie von Baumeister abgebildet ist und auch in zahlreichen Ausstellungen im Ausland und in Deutschland gezeigt worden ist. Gosebruch erweitert die Sammlung noch mit einer Grafikmappe und ermutigt Baumeister auch, sich 1928 auf den Wettbewerb um die Neugestaltung des Brunnenraums im neu gestalteten Folkwang-Gebäude zu bewerben. Den Zuschlag bekam dann letztlich Oskar Schlemmer, aber dass Baumeister dabei war, zeigt, wie wichtig der konstruktive Ansatz des Künstlers damals schon war. So ist es auch in der Sammlungspräsentation, die 1929 eröffnet wird. Da hängt er dann mit El Lissitzky, Lyonel Feininger und Man Ray in einem Raum, in direkter Nachbarschaft zu den Bauhaus-Künstlern. Insofern ist Baumeister schon vor dem Krieg eine bedeutende Position, die die ganz abstrakte, vollkommen freie, gegenstandslose Malerei am Museum Folkwang repräsentiert. 

30 Gemälde und Grafiken – wird das dem Schaffen eines Künstlers überhaupt gerecht?

Bei der Vielfalt der Werke, die Baumeister vorgelegt hat – nicht nur im Bereich der bildenden Kunst, sondern auch der angewandten Kunst – wird das dem Schaffen natürlich nicht gerecht. Aber wir sind sehr stolz darauf, dass wir diese Werke im Bestand haben. 1937 sind dem Museum im Zuge der Aktion Entartete Kunst alle Werke von Baumeister entzogen worden. Man hat nach dem Krieg dann alsbald wieder begonnen, eine neue Werkgruppe aufzubauen. Im vergangenen Jahr hatten wir das große Glück, dass wir das ganz wundervolle Gemälde „Montaru 2d“ aus dem Familienbesitz erwerben konnten. Das ist äußerst selten, dass man ein so hochkarätiges Werk noch ankaufen kann. Das ist ein Anknüpfungspunkt an die Ereignisse, die hier seit den 1920er Jahren stattgefunden haben.

Gibt es in dieser Präsentation einen roten Faden oder ein übergreifendes Thema?

Ja, das ist genau diese Sammlungsgeschichte des Museum Folkwang. Die Ausstellung bespielt zwei Räume: Der erste wird sich Werken widmen, die bis 1937 hier am Haus waren, der zweite Raum der Baumeister-Sammlung, die ab 1955 neu aufgebaut worden ist. 

Baumeister hat sich ja in den 1920er und 30er Jahren viel mit Mystizismus und Zen-Buddhismus beschäftigt. Wird das in der Ausstellung thematisiert?

Ich glaube, man kann im zweiten Raum gut erkennen, dass die Serialität des Zen-Buddhismus und das Sich-auf-das-Unbekannte-und-das-Schöpferische-in-einem-selbst-Einlassen für Baumeister von Bedeutung waren. Wir haben einen Querschnitt von Arbeiten aus verschiedenen Schaffensperioden, an denen der Einfluss der asiatischen Kunst ganz deutlich wird. 

Baumeister soll mit der Zeit eine eigene Zeichensprache entwickelt haben. Hat das auch mit seinem Kontakt zu Wassily Kandinsky zu tun?

Kandinskys Einfluss war hier sicherlich weniger ausschlaggebend. Die abstrakte Kunst und die Entwicklung in der abstrakten Kunst ist das eine, aber die Auseinandersetzung mit frühen, prähistorischen Kulturen war für Baumeister bei der Entwicklung seine Zeichen viel wichtiger. Er beschreibt das auch sehr gut in seiner Theorie „Das Unbekannte in der Kunst“.

Kann es sein, dass Baumeisters Werk in den Nachkriegsjahren nicht so präsent war? Oder hatten es die abstrakten Künstler da alle schwer?

Tatsächlich war er in den 1950er Jahren bereits einer der präsentesten Künstler:innen in Deutschland. Es gab ein Dreigestirn der deutschen Nachkriegskunst: Willi Baumeister, Ernst Wilhelm Nay und Fritz Winter. Die drei waren erfolgreich und wurden stark wahrgenommen. Baumeister war im Prinzip nicht nur hier in Essen, sondern überall in Deutschland die Figur, die die abstrakte Kunst auch durch die 1930er und 1940er Jahre hinweg aufrechterhalten hat. Er hat sich in zahlreichen Veranstaltungen stark für sie eingesetzt. Um 1950 gab es Diskussion darüber, was denn jetzt die richtige Kunst sei, die figurative oder die abstrakte – und da gab es richtige öffentliche Streitgespräche. Schon da war Baumeister die Leitfigur, an der sich alle ausgerichtet haben, und wurde auch ein großes Vorbild für die Generation, die dann danach kam. 

Seine Formfindungen regten aber auch immer Assoziationen an, oder?

Ja. Das hat er auch gar nicht ausgeschlossen. Diese Vorstellung davon, dass man nicht mehr mimetisch abbildet, sondern wie die Natur schafft, die Orientierung an Wachstumsprozessen und Übergängen und Metamorphosen; da bekommt das Ganze einen landschaftlichen, auch einen biomorphen Charakter und das führt zu diesen berühmten Amöbenformen, die man auch in den Möbeln der Zeit wiederfinden kann. 

Vom Informellen waren Baumeister und seine Zeitgenossen aber noch ziemlich weit entfernt.

Er war Mitglied der Gruppe Zen 49. Sie hat sich als Gruppe der Gegenstandslosen gegründet – und das gilt als Startpunkt des Informel in Deutschland. Baumeister selbst hat zwar so nicht gearbeitet, dazu war er noch zu sehr in der Maltradition verhaftet, aber er ist in dieser Gründungsphase dabei und gibt bedeutende Impulse für Künstler wie beispielsweise Karl Otto Götz. Er war da ganz wichtig für die Gruppe, auch was seine Kontakte nach Frankreich angeht, denn die waren für Zen 49 damals sehr entscheidend.

Willi Baumeister im Museum Folkwang – Zeitzeichen | 23.2. - 16.6. | Museum Folkwang, Essen | 0201 884 50 00

Interview: Peter Ortmann

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