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Sui Jinaguo, Earthly Force, 1992-94, Stein, Stahl, geschweißt, 15-teilig
© Künstler, courtesy Pace Beijing, China 8, Lehmbruck Museum Duisburg

Malerei und Skulptur

25. Juni 2015

„CHINA 8“ in zwei Museen in Duisburg – kunst & gut 07/15

Das Ausstellungsprojekt „CHINA 8“ geht über die gängigen Kooperationen der Museen der Region hinaus. Insgesamt rund 120 chinesische Künstler thematisieren in ihren Werken in neun Institutionen die eigene Identität, den kulturellen und gesellschaftlichen Zustand, sprechen aber auch globale Fragestellungen an. Regimekritische Töne sind selten, oder wir verstehen sie nicht. Unterschwellig zieht sich ein Unbehagen durch die Beiträge der Maler, Objektkünstler, Bildhauer, Zeichner, Video-, Foto- und Performancekünstler. Überwiegend handelt es sich um Künstler, die in den 60er und 70er Jahren geboren sind und sich in China, teils auch international etabliert haben. Die Kunstwerke sind uns in ihrem Bilderreichtum und ihrer technischen Fertigkeit nahe und stammen doch deutlich nicht aus unserem Kulturkreis.

Dies lässt sich direkt an den „klassischen“ Medien feststellen. Skulptur und Malerei sind in Duisburg zu sehen, das als einzige Stadt mit zwei Museen beteiligt ist: mit dem Museum Küppersmühle und dem Lehmbruck Museum. Hier gibt es übrigens auch auf das Museum der Stiftung DKM, das in seiner Sammlung Kunst aus China besitzt (und vor ein paar Jahren Ai Weiwei ausgestellt hat). Entsprechend der Programmatik zeigt das Lehmbruck Museum Skulpturen und das Museum Küppersmühle Malereien.

Nur einmal in der Küppersmühle dachten wir ganz kurz an eine Parallele zur westlichen Kunst: Dort, wo die Malerei von Zeng Fanzhi hängt, war mal das Werk von Anselm Kiefer ausgebreitet. Zeng Fanzhis monumentales Querformat zeigt ein undurchdringliches karges Dickicht aus energischen Schneisen. In der Ferne zeichnet sich ein dunkler Himmel ab. Auf dem Boden des Mittelgrundes befindet sich eine langgestreckte Partie aus weißem Licht, das nicht zuzuordnen ist und gleichermaßen geschützt und entzogen wirkt. Die Malerei wird hier zur expressiven Geste. Fanzhis Bilder sind brodelnde Unruhe, sie rücken ihre Motive hinter Versperrungen und laden das Geschehen mit tiefgründiger Bedeutung auf. Einen Gegenpol in dieser Ausstellung bilden die gegenstandsfreien Malereien von Wang Guangle. Sie vergegenwärtigen den Farbauftrag als fast rituelles Exerzitium im Vergehen der Zeit. Wang Guangle zieht schwarze oder farbige horizontale Linien so oft, dass das Bild zum räumlichen Körper wird.

Auch im Lehmbruck Museum treffen wie auf diese Erfahrung der Schichtung und immer feineren Nuancierung im abstrakten Bereich. So hat Fang Lijun mit winzigen Kuben aus Porzellan in milchigem Weiß und delikater Farbigkeit atemberaubend schöne Skulpturen gebaut. Sie scheinen zusammenzubrechen und halten sich doch in der Balance, in gewisser Analogie zu Tempelanlagen, die im übertragenen Sinn den Wandel der Gesellschaft aushalten müssen. Direkt daneben stehen – ein kalkuliert krasser Gegensatz – Xang Jings lebensgroße realistische Fiberglas-Figuren. Unterstrichen durch die naturalistische Farbsetzung sind zeitgenössische Menschen zu sehen. Es sind die Haltungen, die irritieren, die Selbstbezogenheit auf den Körper oder einzelne Handlungen, welche die Figuren zu uns auf Distanz rücken. So „körperlich“ und direkt sie sind, so abwesend sind diese Figuren doch. Ähnliches kennzeichnet Sui Jianguos Feld aus Steinen, die in einem Korsett von Stahlbändern gefangen sind. Aus der Ferne wirken sie wie Korallen, tatsächlich treffen hier eine archaische Naturgewalt und der Fortschritt aufeinander. Das eine bändigt das andere, das sich trotzdem behauptet. Eingeschrieben ist diese Ambivalenz schließlich auch den mächtigen Selbstporträts in den Eisenfiguren von Yue Minjun, die sich sogar vor beiden Museen finden: Ihre Grimasse ist Glückseligkeit, befreiendes Lachen und größte Verzweiflung.

„Das Vokabular der sichtbaren Welt“, MKM Museum Küppersmühle & „Neue Figuration“, Lehmbruck Museum | bis 13.9. | Duisburg | www.china8.de

THOMAS HIRSCH

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