Das Holozän hatte immer schon seine Tücken und Fallstricke. Das vor 11.000 Jahren eigentlich ganz Neue hat lediglich alte Kontroversen um Leben und Tod, Fressen-und-gefressen-Werden fortgeschrieben, aber evolutionär modifiziert. Und so kam es, wie es kommen musste, die allmächtige Natur scheint zurückgedrängt – der Mensch hat den Einfluss auf die Erde übernommen.
Die letzten großen Themen im Anthropozän drehen sich um Liebe und Tod, aber inzwischen auch um Glaube, Strafe und Vergebung sowie um die Irrwege an der Spitze der Nahrungskette. Auch auf dieser Kausalität der Äonen scheint sich die Performance „Deep Talk – Das Leben des Hartmannmueller“ im useligen November im Mülheimer Ringlokschuppen zu gründen. Hinter Hartmannmueller verbergen sich die zwei Choreographen und Performer Simon Hartmann und Daniel Ernesto Mueller. Vor den großen Themen verstecken sie sich auf der Bühne natürlich nicht. Auch für sie steht fest, dass die Vergangenheit nie vollständig verloren geht. Dabei beginnen sie bei ihren eigenen Geschichten und rücken vor zu grundsätzlichen, gemeinsamen Erfahrungen, und da wären wir ja evolutionär wohl wieder vor der Zeit des Planetenfressers Anthropozän. Aber die Evolution ist ein kontinuierlicher Prozess, bei dem sich Lebewesen verändern und entwickeln. In den vergangenen vier Milliarden Jahren entstanden auf diese Weise ungeheuer komplexe Organismen und differenzierte anatomische Gebilde, zu denen wir auch gehören – schauen Sie sich nur einmal im Theatersaal um.
Doch auf der Bühne ist das noch nicht so weit, hat unser Leben das Leben des Hartmannmueller noch nicht erreicht. Dazu fehlen eine Reihe von Ritualen und Worten, um die Grenzen des Hier und Jetzt aufzuheben und die Zuschauer in den endlosen Kosmos der universellen Teilhabe zu versetzen. Es gilt, in verschiedenen Lebensentwürfen Gemeinsames zu finden und sich die Frage zu stellen, welche der Prägungen wir als erhaltenswert betrachten und an nachfolgende Generationen weitergeben. Hartmannmueller präsentiert auf der Bühne den Kern unseres menschlichen Daseins in einer Performance, die ihr Publikum so unterhält, fordert und strapaziert, wie es dem hoffentlich gefällt.
Deep Talk – Das Leben des Hartmannmueller | Fr 3. (P), 4.11. je 20 Uhr | Ringlokschuppen Ruhr, Mülheim a.d. Ruhr | 0208 99 31 60
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Liebe und Gewalt
„Told by my Mother“ in Mülheimer a.d. Ruhr – Tanz an der Ruhr 03/24
Britney Spears bis Working Class
HundertPro Festival im Ringlokschuppen Ruhr – Festival 09/23
Diskursive Fronten überwinden
„Produktives Streiten“ in Mülheim – Spezial 08/23
Sommerstücke im Grünen
Hochbetrieb vieler kleiner Bühnen im Ruhrgebiet – Prolog 07/23
Folklore und Feuerwerk
ExtraSchicht im Ruhrgebiet – Festival 06/23
Dancing ‘bout my Generation
„Potere“ in Mülheim an der Ruhr – Tanz an der Ruhr 03/23
Desertion gegen Kriegstreiberei
„Ein Mensch wie ihr“ in Mülheim an der Ruhr – Prolog 10/22
Gegen die Normalität
„Hundertpro Festival“ im Ringlokschuppen Ruhr – Festival 08/22
Opa und die SS
„Ur-Heidi. Eine Heim-Suchung“ von KGI – Bühne 02/22
Internationale Frauenpower
Lesungsreihe der Silent University Ruhr
Ausweg Mensch
Ringlokschuppen zeigt „Hard Feelings“
Auf ins Abenteuer
„Praktisch Galaktisch“ im Ringlokschuppen
Von der Straße ins Theater
„Multiversum“ am Theater Oberhausen – Prolog 04/24
Tödlicher Sturm im Wurmloch
„Adas Raum“ am Theater Dortmund – Prolog 04/24
Mackie im Rap-Gewand
„MC Messer“ am Theater Oberhausen – Tanz an der Ruhr 04/24
Die ultimative Rache vor weißer Schleife
„Die Fledermaus“ mit Schauspielstudierenden an den Kammerspielen Bochum – Auftritt 04/24
„Ich mache keine Witze über die Ampel“
Kabarettist Jürgen Becker über sein Programm „Deine Disco – Geschichte in Scheiben“ – Interview 04/24
„Zu uns gehört das Lernen von den Alten“
Intendant Olaf Kröck über die Ruhrfestspiele 2024 – Premiere 04/24
Verloren im Nebel
Das Duo Paula Rot im Foyer des Theaters Duisburg – Bühne 03/24
Glücklich bis ans Ende?
„Star-Crossed Lovers“ in Essen – Prolog 03/24
Ein Baum im Herzen
„Eschenliebe“ am Schauspielhaus Bochum – Prolog 03/24
Über die Familie
45. Duisburger Akzente – Festival 03/24
Sternfahrt zum Shoppen
„Einkaufsstadt, 4300“ von Trio ACE in Essen – Prolog 03/24
„Im Gefängnis sind alle gleich“
Regisseurin Katharina Birch über „Die Fledermaus“ an den Bochumer Kammerspielen – Premiere 03/24