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Lassen sich von der schweren Thematik nicht unterkriegen: Peter Schmidt und Wanja Kilber (v.li.)
Foto: Ines Maria Eckermann

Freundschaft ist stärker als Hass

27. Januar 2015

Vortragsreihe am 26.1. im KWI Essen zur Situation von Lesben und Schwulen in Russland

Sie werden ausgegrenzt, geschlagen und vertrieben: Homosexuelle Menschen müssen sich in Russland verleugnen oder um ihr Leben fürchten. Die Veranstaltungsreihe „Homophobie im globalen Kontext“ unternimmt eine Weltreise des Hasses und machte mit einem Vortragsabend im Kulturwissenschaftlichen Institut Essen Halt in Russland.

In den letzten Jahren hat der Kreml Homosexualität weiter kriminalisiert: Seit Juni 2013 ist das öffentliche Reden über Homosexualität im Beisein von Minderjährigen verboten. „Die jungen Menschen sollen durch das Gesetzt angeblich geschützt werden“, sagt Wanja Kilber, „aber jetzt gibt es gar keine Informationen mehr.“ Als Kilber jünger war und merkte, dass er sich in Jungs verliebte, las er in einem Lexikon, dass Homosexualität eine psychische Krankheit ist und mit Gefängnis bestraft wird. „In der Schule durfte das Wort Sex überhaupt nicht fallen, die Sexualerziehung fand auf der Straße statt.“ Informationen seien aber besonders für junge Menschen wichtig. Kilber gründete eine Organisation für russischsprachige Lesben, Schwule, bi- und transsexuelle Personen und unterstützt Menschen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt werden und in Deutschland Asylstatus beantragen wollen – eine Folge der zunehmenden Kriminalisierung von Homosexualität im Ausland.

In Russland gibt es für Schwule und Lesben keine Ehe, keine Adoption – und keine Statistiken darüber, ob Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert, misshandelt oder getötet werden, sagt Peter Schmidt. Er ist Politikwissenschaftler und emeritierter Professor für Empirische Sozialforschung und versucht mit wissenschaftlichen Mitteln zu ergründen, was die Angst vor der gleichgeschlechtlichen Liebe begünstigt. In Russland ist das Verschweigen einer Realität per Gesetz verankert. „Minderheiten sind ein guter Blitzableiter“, sagt Schmidt. Die Ausgrenzung einer Gruppe schafft Zusammenhalt in einem auseinander bröckelnden Gesellschaftssystem, der konservative Radikalismus sorgt für Halt und Identität im gesellschaftlichen Wandel.

Schmidt stellte mit seinen Umfragen fest, dass eine niedrige Bildung und eine starke Religiosität ein Nährboden für Intoleranz seien. Im europäischen Vergleich mit 27 Staaten belegt Russland in Sachen Akzeptanz von Homosexualität in der Bevölkerung einen der letzten Plätze. Denn nicht nur das Gesetzt, sondern auch die Bevölkerung wendet sich gegen Schwule und Lesben. „Die Gesetzgebung im Land beeinflusst und legitimiert die Gewalt“, sagt Kilber. Die Ablehnung der gleichgeschlechtlichen Liebe soll auch ein Zeichen gegen die westliche Lebensweise sein – und ist ein gefundenes Fressen für rechtsradikale Gruppierungen. Immer wieder kommt es zu Übergriffen, Erpressung und Pogromen durch Neonazis, hasserfüllte Bürger und korrupte Militärschläger.

Doch in den letzten Jahren stellen sich immer mehr Bürger dem blinden Hass entgegen. Eltern von Lesben, Schwulen und Bisexuellen schließen sich für die Rechte ihrer Kinder zusammen, hetero- und homosexuelle Menschen gehen gemeinsam für die freie Liebe auf die Straße. „Putin verleiht Preise an einen schwulen Künstler nach dem anderen“, sagt Kilber, dennoch hielte das Staatsoberhaupt weiter am homophoben Kurs fest und schüre Hass und Gewalt in der Gesellschaft. „Oft hört man ja, man solle nicht nach Russland reisen und Sanktionen verhängen“, sagt Kilber. „Was aber wirklich hilft, ist in Kontakt zu bleiben.“ Deshalb fördert sein Verein Städtepartnerschaften zwischen den lesbischen, schwulen und transsexuellen Verbänden in Russland. Freundschaft ist stärker als Hass – auch in Russland.

Ines Maria Eckermann

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