Man könnte meinen, nach drei Tagen auf Bochum Total würde es langweilig oder da böte sich nicht mehr viel Neues an. Aber Vorsicht! It’s cool, man! Kleiner Spaß. Natürlich gibt es auf Bochum Total jeden Tag etwas Neues zu entdecken, denn das Festival ist auch ein Testareal für neue Formate. So wie z.B. bei Oli Hilbring und Michael Holtschulte (beide auch Stammgäste unserer Rubrik Zuletzt gelacht). Unter dem Motto „Zwei Stricher packen aus“ boten sie auf der trailer-Wortschatzbühne eine Cartoon-Lesung der besonderen Art. Im Vorfeld kann bereits verraten werden, dass es keine Zugabe gab. Nicht, weil ungewollt, sondern weil unvorbereitet. „Wir wussten auch gar nicht, ob sowas überhaupt ankommt“, so Hilbring am Schluss als Antwort auf die lauten Zugabe-Rufe.
Nachdem die beiden „Stricher“, die Bühne betraten, musste erstmal eine wichtige Frage geklärt werden. Wie funktioniert eigentlich eine Cartoon Lesung? Voraussetzung dafür seien Themen und Cartoons, die die Menschen interessieren, z.B. über Fußball. „Götze kommt zurück nach Dortmund“, hieß es dazu. Das würden doch alle wissen. „Nur die Dortmunder Fans wissen noch nicht genau, welchen Film sie am Ende sehen wollen – The Revenant oder Fuck you Götze II?“. Der dicht gefüllte Platz vor der Bühne lachte auf.
Die Cartoons, d.h. Comics in Form von Sketch-Serien und kurzen Animationen, wurden in bester Multi-Media-Manier auf einem extra installierten TV-Bildschirm vorgeführt. Parallel zu dieser modernen Diashow wurden die Sprechblasen oder Slogans dann im Dialog vorgelesen. Es blieb vorerst beim Thema Fußball, in Form hintereinandergeschalteter Live-Skits, bei denen auch kritische Töne angeschlagen wurden: ein Sesamstraßen-Ernie als neuer Fifa-Präsident oder die Abstraktion eines Star-Wars Plakats mit dem Slogan „DAS WARS-Das Erschlaffen der Macht“, als Kritik an den Schmiergeldaffären Sepp Blatters.
Klicken Sie auf eines der Bilder und starten Sie so die Bildergalerie (14 Bilder).
Eines von Holtschultes Lieblingsthemen ist bekanntlich der Tod, Seine Cartoons sind unter der Marke „Tod aber lustig“ längst überregional bekannt. „Ich bin der Tod“, so Holtschulte, als bedrohlich überspitzter Sensenmann. „Und, kann man davon leben?“, wird ihm rotzig von Hilbring entgegnet. Es folgte die Kategorie „Fiese Bilder“ und damit wurde es noch ein wenig zynischer. Wie sieht es aus, „wenn Pornostars Interviews geben“? Der Sketch zeigte eine Klischee-Blondine, die das Mikro ihres Interviewpartners tief in den Rachen gerammt bekommt. Ebenfalls fies war zudem das Cover der Zeitschrift „InZucht“, das mit dem Slogan „Für das Dorf“ geschmückt wurde.
Das Highlight hatte ironischer Weise nichts mit einer Lesung in engerem Sinne zu tun. Gezeigt wurden die Abstraktionen berühmter Rocksongs, im Comicstyle, wobei das entsprechende Lied passend zum Bild eingeblendet wurde. „Riders on the Storm“ von den Doors eröffnete und zu sehen gab es die Animation mehrerer Raider-Riegel auf stürmischer See treibend. Der Beginn eines amüsanten Spektakels. Weitere besondere Hingucker, waren z.B. der „Rohling on the River“, der „Zander“ von AC/DC, die „L.A. Wummen“ und als Krönung, das Comicportrait zu „Tiers in my Eyes“. Eine runde Sache und man darf dann hoffentlich im nächsten Jahr auf eine Zugabe hoffen. In diesem Sinne: „You never wok alone“.
Anschließend konnte man sich auf der trailer-Wortschatzbühne nochmal von der Redensart überzeugen, dass die alte Schule (des Rock‘n’Roll) immer noch die Beste ist. „The Shed - Bester New-School Rock“, so stand es auf dem Flyer und der Sound hatte zwar durchaus den modernen Radio-Touch, doch waren es eindeutig die 1970er, die erfreulicherweise in den Riffs und Songstrukturen steckten. Da wurde Gitarre auf dem Hinterkopf gespielt, was bemerkenswert ist, denn das Trio aus Wesel, in weiße Hemden mit Fliege gekleidet, ist im Schnitt gerade mal 18 Jahre alt. Titel wie „Bad Girl“, oder „Shut the fuck up“ sorgten dafür, dass die Besucher die Hüften schwangen. „Ihr hört, wir sind eher vom alten Schlag!“, ließen sie verlauten, bevor der nächste Song „Rock’n’Roll“ startete.
Wer danach noch immer nicht müde war, konnte sich weiter treiben lassen. Nach Anbruch der Dunkelheit lockte noch die Sternstunde, eine Lichtinstallation am neuen Musikforum, die ab 23 Uhr von trailer präsentiert wurde.
Cartoon-Blog von Oli Hilbring: www.oli-hilbring.de/blog
Cartoon-Blog von Michael Holtschulte: www.totaberlustig.com
Weitere Infos: www.bochum-total.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Meister des Sensenhumors
Cartoonist Michael Holtschulte präsentiert seine Werke bei kunstwerden in Essen
Parolen und Pop-Prominenz
Bochum Total am zweiten Juli-Wochenende – Festival 07/23
Rock and Creole
trailer-bühne bei Bochum Total 2022 – Festival 08/22
Die große Rückkehr
Bochum Total 2022 – Festival 08/22
Entspannter Ausklang
So war der Sonntag bei Bochum Total – Festival 07/22
Talentschmiede
trailer-bühne am BoTo-Samstag – Festival 07/22
Improvisation und Wortkunst
trailer-bühne am BoTo-Sonntag – Festival 07/22
Fulminantes Revival
So war der Donnerstag bei Bochum Total – Festival 07/22
„Es war die Hölle los!“
So war der Freitag bei Bochum Total – Festival 07/22
„Mit einem Wort: geil“
trailer-bühne am BoTo-Freitag – Festival 07/22
Voll, toll – voll toll
So war der Samstag bei Bochum Total – Festival 07/22
In Dreams – eine Kostprobe
Bochum Total: Pia Lüddecke und Ernest auf der trailer-bühne – Festival 07/22
Außerhalb der Volksgemeinschaft
Vortrag über die Verfolgung homosexueller Männer in der NS-Zeit in Dortmund – Spezial 04/24
„Ruhrgebietsstory, die nicht von Zechen handelt“
Lisa Roy über ihren Debütroman und das soziale Gefälle in der Region – Über Tage 04/24
Unterschiedliche Erzählungen
Vortrag zur Geschichte des Nahostkonflikts in Bochum – Spezial 03/24
„Was im Ruhrgebiet passiert, steht im globalen Zusammenhang“
Die Dokumentarfilmer Ulrike Franke und Michael Loeken über den Strukturwandel – Über Tage 03/24
Geschichte der Ausbeutung
„Wie Europa Afrika unterentwickelte“ im Bochumer Bahnhof Langendreer – Spezial 02/24
„Einer muss ja in Oberhausen das Licht ausmachen“
Fußballfunktionär Hajo Sommers über Missstände im Ruhrgebiet – Über Tage 02/24
„Mir sind die Schattenseiten deutlicher aufgefallen“
Nora Bossongüber ihre Tätigkeit als Metropolenschreiberin Ruhr – Über Tage 01/24
„Hip-Hop hat im Ruhrgebiet eine höhere Erreichbarkeit als Theater“
Zekai Fenerci von Pottporus über Urbane Kultur in der Region – Über Tage 12/23
Suche nach Klimastrategien
Gespräch im Essener LeseRaum Akazienallee – Spezial 11/23
„Das Ruhrgebiet erscheint mir wie ein Brennglas der deutschen Verhältnisse“
Regisseur Benjamin Reding über das Ruhrgebiet als Drehort – Über Tage 11/23
„Kaum jemand kann vom Schreiben leben“
Iuditha Balint vom Fritz-Hüser-Institut über die Literatur der Arbeitswelt – Über Tage 10/23
Irrweg deutscher Migrationspolitik
„Blackbox Abschiebung“ in Düsseldorf – Spezial 09/23
„Es hat mich umgehauen, so etwas Exotisches im Ruhrgebiet zu sehen“
Fotograf Henning Christoph über Erfahrungen, die seine Arbeit geprägt haben – Über Tage 09/23