Mit dem Redaktionsschluss ist das bei Monatsmagazinen ja immer so' ne Sache: Wenn der Leser das aktuelle Blatt in den Händen hält oder die online-Variante aufruft, stecken die Autoren bereits im Finale der kommenden Ausgabe. In der Weihnachtszeit ein immenser Vorteil, sollte man meinen. Wäre es nicht so früh, dass automatisch der Schlendrian einkehrt. Nichtsdestotrotz: Virtuell schon im Advent, ist es nicht nur für Frühkäufer an der Zeit, sich mit Geschenktipps aus der Bücherwelt zu befassen …
Um den großen Romancier Richard Ford und sein galliges Alter Ego Frank Bascombe kommt man in diesem Jahr nicht herum. Nach der Neuauflage des einzigartigen Klassikers „Unabhängigkeitstag“ [dtv] darf dieser wunderbar knorrige Kommentator des American Way of Life in „Frank“ [Hanser Berlin] endlich wieder aufs Neue vom Leder ziehen: ein wenig altersmelancholisch aber immer noch mit dem Finger in der Wunde. / Aus ähnlichem Holz geschnitzt ist der hierzulande viel zu lange übersehene, noch stärker über die Psyche seiner Akteure kommende Donald Antrim. Perfekter Einstieg in sein Werk, das Rowohlt derzeit zügig komplettiert: die so kurzweiligen wie giftigen Stories aus „Das smaragdene Licht in der Luft“.
Wem das (immer noch) zu schöngeistig ist, dem sei John Nivens alkoholgeschwängerte Abrechnung mit dem Literatur- und Filmbetrieb „Straight White Male“ empfohlen; nicht zuletzt in der knarzigen Hörfassung von Gerd Köster [Random House Audio]: zotig-derbe, zugleich voll bissig-feinsinnigen Humors. / Aber auch Nora Gomringer nimmt kein Blatt vor den Mund. Bisweilen brachial zynisch aber immer den Schalk im Nacken lässt die Bachmann-Preisträgerin in unnachahmlichem Duktus Hochkultur an vermeintlich Trivialem zerschellen. Spoken Word, energiegeladen und gattungssprengend, zu entdecken in „achduje“ [Gesunde Menschenversand].
Vergleichbar bildgewaltig die fotografische Ode an „Schottland“ [Mare] von Sirio Magnabosco & Dimitrij Leltschuk. Atemberaubende Landschaften, so archaisch, dass sie ans Fantastische grenzen. Unwirtlich und doch paradiesisch. Entsprechend die Portraits der Bewohner: eigen, unverfälscht, standhaft. / Eigentlich der perfekte Ort für Robert Göschls schrecklich vermehrungswütige „12 Monsters“ [°luftschacht]. Ein Winken und Stinken, Pressen und Fressen, als Abzählreim für kleine und große Ungeheuer, liebevoll garstig, bis die Welt zu klein geworden ist und/oder ein wirklich gruseliges Monster auftaucht.
Von diesen kann Hansjörg Schneiders Kommissar a.D. auch in seinem neunten Fall berichten. Wenn er denn sicher sein könnte, dass alles so abgelaufen ist, wie er es im Krankenhaus unter Schlaftabletten beobachtet hat. Natürlich gehört „Hunkelers Geheimnis“ [Diogenes] auf die Bestsellertische. Trotzdem muss man ausdrücklich darauf hinweisen, damit es in seiner unaufgeregten Art nicht in der plump nach Aufmerksamkeit heischenden Krimi-Flut untergeht. / Eine Gefahr, die auch Jakob Hinrichs Adaption „Hans Fallada – Der Trinker“ [MetroLit] im Rahmen des Graphic-Novel-Hypes droht. Bedächtig-unspektakulär, geradezu bewusst-hässlich entfaltet die Vermischung von Biographie und Prosa einen rauschhaften Sog, der flugs die gesamte Adventszeit frisst. Aber wofür gibt's die wortwahl mit den Last-Min-X-mas-Geschenktipps?! Schon in Arbeit …
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