Manchmal kann man sich vor Büchern fürchten. Jan Schlieckers gerade frisch erschienenes Kompendium „Roddenberrys Idee“, Untertitel „Die Star Trek-Originalserie im Wandel der Zeit“ ist so eins. Nicht nur dass seit über 25 Jahren Ralph Sanders zweibändiges „Star Trek Universum“ in meinem Bücherschrank steht, wie auch die Autobiografien der „alten“ Helden, diverse Sammelordner meiner Töchter, nein, gleich der erste Blick ins dicke Buch lässt schauern. 479 Seiten in Minischrift, so gut wie keine Bilder, wie zur Hölle soll ich da durch und warum schreibt bloß irgendjemand 2014 einen kritischen Episodenführer?
Ich mache einen Test. Mit geschlossenen Augen klappe ich das Buch auf, erwische die Seite 255, Folge 47 der Urserie, „The Gamesters of Triskelion“ (deutsch: Meister der Sklaven!) aus der zweiten Staffel von 1968. Es war eine dieser „Fremde Welten“-Folgen mit überkandidelten „Versorgern“, die sich Menschen als Spielobjekte hielten und gegeneinander kämpfen ließen, in Deutschland kam ein ähnliches Procedere mit „Das Millionenspiel“ von Tom Toelle erst 1970 in die Fernseher, aber im Grunde genommen spiegelten beide die gesellschaftspolitischen Zustände ihrer Zeit. Star Trek war ja auch keine Kinderserie. Heute wissen wir das noch besser. Das Buch „All I Really Need to Know I Learned from Watching Star Trek“ von Dave Marinaccio hat die US-amerikanische Gesellschaft nicht viel weiter gebracht. Immer noch kämpft sie auf fremden Planeten, äh Kontinenten, gegen Außerirdische. Schliecker füllt die Besprechung der Folge 47 mit mächtig viel Informationen, analysiert die Handlung, bringt uns dabei sogar auch die Autorin Margaret Armen näher, die in dieser Folge Uhura, die einzige weibliche Offizierin auf der Brücke, auch inhaltlich aufwertet und ihre auf Schiffs-Kommunikation festgefahrene Rolle ziemlich erweitert. Das wird ihren Geschlechtsgenossinnen erst wieder in „Star Trek: The Next Generation“ passieren, dann aber mit Macht, final in „Star Trek: Raumschiff Voyager“ mit Kate Mulgrew als Captain (!) Kathryn Janeway. Natürlich sind auch die technischen Informationen umfassend wie interessant. So ausführlich habe ich es jedenfalls noch nicht gelesen.
Nach diesem positiven ersten Eindruck beginne ich natürlich vorne im Buch mit der „Geburt von Star Trek“. Auf 16 Seiten (gefühlt 100) wird die Geschichte von Gene Roddenberry erzählt, seine Anfänge über Krimi- und Militärserien (The Lieutenant), sein Kampf, endlich eine Science-Fiction-Serie im amerikanischen TV zu etablieren, kein leichtes Unterfangen, immerhin hatte Roddenberry die ganze Idee bis dato nur auf einem Stück Papier. Bei der Ausformulierung halfen ihm auch die Sitcom-Komödiantin Lucille Ball und der junge Herb Solow. Schliecker fügt die riesige Informationsflut geschickt strukturiert zusammen und was noch wichtiger ist – lesbar. Und so wandern die Unwissenden und Trekkies gemeinsam Seite für Seite durch fast ein halbes Jahrhundert Geschichte des Raumschiff Enterprise bis hin zum genialen Reload-Kinofilm 2009, der die Serie auf einen neuen Nullpunkt setzt und – kaum zu glauben – mit Leonard Nimoy als Spock Prime auch noch auf die Star Trek Anfänge in den späten 1960er verweisen kann. Erst 2016 zum 50. Star Trek-Jubiläum soll der nächste Film in die Kinos kommen. Schade. Bis dahin werde ich aber alles in Jan Schlieckers Buchstabenmonster gelesen haben. Auch die tausenden Fußnoten!
Jan Schliecker: „Roddenberrys Idee: Die Star Trek-Originalserie im Wandel der Zeit“ | Schüren | 480 S. | 38,00 €
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