Während in der Werk-Stadt Witten beim Rudelsingen „Eternal Flame“ von The Bangles intoniert wird, hat es sich das Publikum im „Treff“ nebenan gemütlich gemacht. Auf Baumstümpfen, Sofas und dicken Kissen, bei gedämpften Licht und wohl temperiertem Rotwein. Wohnzimmeratmosphäre. Das passende Ambiente für Liedermacher Niels Frevert, der sich fast schüchtern den Weg zu der kleinen Bühne bahnt.
Das aktuelle Album „Zettel auf dem Boden“ und das Repertoire der Vorgängerplatten füllen augenblicklich den Raum. Auch ohne die instrumentelle Begleitung, die die Studioaufnahmen der Alben zu melodisch raffinierten Arrangements macht, wirken die Songs als pure Gitarrenmusik. Ob Frevert einen Gig in Zürich besingt oder vom Anfang und Ende einer Liebe erzählt - seine Alltagsbeschreibungen treffen auf den Punkt. Trotz dieser Universalität der Themen sind die Songs immer zutiefst persönlich. Experimentieren mit Sprache, bis sogar das Wort „Einwegfeuerzeugstichflamme“ lyrisch klingt. Eine gekonnte Prise Ironie verleiht Titeln wie „1 m2 Regenwald“ oder „Du kannst mich an der Ecke rauslassen“ bei aller Melancholie und thematischen Schwere stets eine bittersüße Note.
„Ich versuche es nicht zu eindimensional zu halten. Ich mag Brüche und Widersprüche, wenn es einen lustigen Dreh gibt und eine Form von Galgenhumor. Wenn sich Leichtigkeit und Schwere mischt“, sagt der gebürtige Hamburger, der in den 1990ern mit „Nationalgalerie" unterwegs war, über seine Texte.
Am besten funktioniert dies in „Ich würde Dir helfen, eine Leiche zu verscharren, wenn’s nicht meine ist“. Titel und Refrain sind eine Reminiszenz an eine Zeile aus „Gegen die Strömung“, in dem Udo Lindenberg verspricht: „Ich geh mit Dir durch dick und dünn / aber nicht durch dick und doof“. Die ultimative Liebesbezeugung durch Mordbeihilfe ist auch ein augenzwinkernder Kommentar zu all den hohlen Balladenphrasen. Das derzeit wohl bekannteste Stück Freverts ist eine der schönsten Liebeserklärungen in der deutschsprachigen Musikszene.
Er selbst beschreibt seinen Anspruch angenehm bescheiden: „Ich habe etwas zu erzählen, so wie alle Liedermacher, die eine innere Mission spüren und erfüllen müssen. Aber es muss jeder für sich selbst entscheiden, was ihm meine Songs bedeuten.“ Beobachtet man das Publikum im Treff an diesem Abend, scheint diese Mission gelungen. Zuhörer unterschiedlichster Altersklassen lauschen, versunken in eine Musik, die bei aller Melancholie doch sichtlich glücklich macht.
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