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Sänger Dirk Ivens überzeugt durch jahrelange Bühnenerfahrung
Foto: Rika Talsinn

Klinik-Entlassung nach 30 Jahren

03. Dezember 2014

Die belgische Industrial-Gruppe Klinik auf letzter Tournee – Musik 12/14

Der Bahnhof Langendreer hatte am 29. November die Ehre, seine Räumlichkeiten für das Abschiedskonzert von Klinik zur Verfügung zu stellen. Denn die belgische Band um Gründer Marc Verhaeghen trennt sich nach mehr als dreißig Jahren vom Musikbusiness und spielte in Bochum eines ihrer letzten Deutschlandkonzerte. Seit 1980 gibt es die Electro-Formation, die eine stolze Diskografie von mehr als einhundert Veröffentlichungen vorzeigen kann. Nach einem acht CDs umfassenden Best-Of touren Klinik nun mit ihrem letzten Release, dem Album „Eat Your Heart Out“, durch Europa und machen zusätzlich sogar Halt in Los Angeles und Mexiko.

Nach dreißig Jahren kann man die Dinge schon mal entspannter angehen. So ließen sich Sänger Dirk Ivens und Live-Support Peter Mastbooms erst etwa eine halbe Stunde nach dem offiziellen Konzertbeginn auf der Bühne blicken. Dann legten sie aber direkt los. Der komplett abgedunkelte Club und die beinahe ausnahmslos schwarz gekleideten Besucher wurden in allen Farben bunt beleuchtet, die Dezibel-Anzeige sprang von 70 auf 100 und zwei Herren mit einem Synthesizer betraten die Bühne. Der Jubel war groß, aber Fangirl-Gekreische erwartete man hier vergebens. Das Klinik-Publikum setzte sich zum Großteil aus gestandenen Anhängern der Industrial-, Gothic- und Dark Wave-Szene zusammen, die das Duo auf der Bühne ohne Worte zu verstehen schien. Klinik benötigen keine lauten Zurufe, nur das Miterleben der treibenden Rhythmen, welche jeden Zuschauer sofort mitnehmen, wenn er sich denn darauf einlässt.

Denn die Musik der Belgier ist speziell, und es ist wahrscheinlich schwierig, die beste Freundin oder den Schwager mit zu einem Konzert zu nehmen und sie sofort zu Fans zu machen. Klinik produzieren seit jeher Industrial-Sounds, deren Wiedererkennungswert unverkennbar ist: Schnelle, kalte Synthesizer-Melodien, raue Beats und dunkle Bässe kombinieren sie mit Dirk Ivens‘ häufig verzerrter Stimme, deren tiefer Klang durch die Musik trägt. Repetitive Texte über düstere Themen singt Ivens. Meist beschränken sich die Liedtexte niedergeschrieben auf wenige Zeilen. Ihre Botschaften vermitteln Klinik durch ihre Musik und die Live-Auftritte, für deren Extravaganz sie schon in der Vergangenheit bekannt waren. So zeigten sie sich häufig in Ledermänteln und großflächiger Bemalung oder umwickelten ihre Köpfe mit Mullbinden.

Diesmal hielten sie die Show jedoch simpel, traten in schwarzer Kleidung auf, keine Masken, keine Kriegsbemalung, die Bühneneffekte auf bunte Lichtspiele beschränkt. Peter Mastbooms, der Band-Gründer Verhaeghen bei Live-Auftritten seit 2009 aus gesundheitlichen Gründen vertritt, schien sich hinter seinen Tasten und Knöpfen wohl zu fühlen und bewegte sich von dort auch nicht weg, und Ivens spiegelte in seiner Bühnenshow eine innere Ruhe wieder, die auf seltsame Weise zu den intensiven Electro-Klängen zu passen schien. Ohne viele Worte ging es von einem Beat zum nächsten. Wenn Ivens sich zwischen den Stücken an das Publikum wandte, dann für ein paar kurze Sätze – jedoch in akzentfreiem Deutsch. So stark und energiegeladen die Rhythmen auch waren, so einseitig wirkten sie dennoch mit der Zeit, und je später der Abend wurde, desto größer wurde der Wunsch nach mehr Variabilität in Beat und Gesang. Anhänger der Band und des Kerngenres der Industrial-Szene kamen bei dem Konzert voll auf ihre Kosten; für Einsteiger könnte der Sound allerdings zu anstrengend sein.

Wer den Klinik-Auftritt im Bahnhof Langendreer besuchte, verließ ihn in melancholisch-nachdenklicher Grundstimmung – egal wie fröhlich und unbeschwert die Laune vor dem Konzert gewesen war. Negativ ist das bei dem kühlen, eingängigen Sound der Belgier jedoch keineswegs zu werten, ganz im Gegenteil: wahrscheinlich ist das ihr Ziel.

Rika Talsinn

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