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„Häuptling Abendwind“
Foto: Birgit Hupfeld

„Das Bühnenbild besteht zu 90 Prozent aus Bierkästen“

29. Januar 2015

Andreas Beck inszeniert in Dortmund Johann Nestroys „Häuptling Abendwind“ als Punkoper – Premiere 02/15

Wo bleibt das Niveau, wenn das schlimmste ist… wenn das Bier, äh, das Fleisch alle ist. In Dortmund trifft deshalb die mächtige Ruhrpott-Punkband Die Kassierer auf den weltberühmten Dichter Johann Nestroy. Wegen „ethischer Desorientierung“ wollte die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften mehrfach deren Songtexte auf den Index stellen. Nestroy amüsierte sich 1862 mit seiner Burleske über jene „Menschenfresser“, die ihm vom Parkett aus anerkennend applaudierten: Kaiser und Klerus. Der mächtige Andreas Beck inszeniert das alles nun passend als „indianische Faschingsburleske“ in der es wilde Zivilisierte und zivilisierte Wilde zu geben scheint.

trailer: Herr Beck, ist Kannibalismus etwas, was uns heute bewegen sollte?
Andreas Beck:
Ich denke ja, weil Kannibalismus ein Thema für uns fremde Kulturen ist, und fremde Kulturen sind ein Thema, was aktueller nicht sein könnte.

Gibt es noch andere ethische Desorientierungen in dem Stück?

Andreas Beck
Foto: Laura Sander
Andreas Beck, geboren in Stralsund, arbeitete nach dem Abitur als Beleuchter und Techniker im Theater Stralsund. An sein Schauspielstudium in Leipzig schloss sich sein erstes Engagement in Eisleben an. Von 1999 bis 2005 spielte und inszenierte er freischaffend in Berlin, Eisleben und Essen. Von der Spielzeit 2005/06 an war er für fünf Jahre Mitglied des Schauspielensembles am Staatstheater Kassel. Hier spielte er u.a. in zwei Inszenierungen von Kay Voges. Seit der Spielzeit 2010/11 ist Beck Ensemblemitglied am Schauspiel Dortmund. Seit geraumer Zeit bildet er mit Uwe Rohbeck das musikalisch-infernalische Duo Die Baunataler Stützstrumpfjäger.

Ja, denn die beiden Häuptlinge haben große Angst davor, dass sie entdeckt werden. Neulich grad hat ein Dramaturg von uns den klugen Satz gesagt, dass man jetzt nach dem Anschlag in Paris die Sätze, die auf den Brettern gesprochen werden, wieder anders beleuchtet und man sie anders hört. Das ist natürlich eher eine Binsenweisheit, denn genau das macht ja Theater immer aus, dass es jeder anders sieht und das können ja auch sehr persönliche Sachen sein. Deswegen ist ja immer jede Vorstellung anders, deshalb sieht jeder Zuschauer immer eine andere Vorstellung. In der Tat gibt es einen Dialog zwischen den beiden Häuptlingen, wo sie sich darüber unterhalten, dass sie bald entdeckt werden und dass sich die sogenannte Zivilisation dort einschifft, und das ist jetzt fast ein bisschen so, als ob die jetzt anfangen, Pegida zu gründen. Das ist sehr interessant.

Sind wir denn etwa alle unzivilisiert?
Zum Glück nicht.

Was ist das Besondere an einer Punk-Operette, außer, dass sie laut wird?
Das Besondere daran ist, dass es die erste ist. Und dass wir uns bemüht haben, das Niveau der Kassierer noch zu unterbieten.

Werden die alten Punker mal wieder nackt auf der Bühne stehen?
Nackt standen die Kassierer noch nie auf der Bühne. Ich kenne nur heruntergelassene Hosen. Also Schuhe hatten sie immer noch an. Ich kenne nur den einen Auftritt auf Youtube von Yoko und Klaas, wo Wölfi einmal nackig rumrennt, aber das war nicht die Bühne, das war ein Fernsehstudio.

Tauchen sie auch als Schauspieler auf?
Nein.

Wird es wenigstens genügend Bier geben?
Es wird so viel Bier geben, also zumindest Bier-Utensilien, wie man es lange nicht mehr gesehen hat.

Wie sieht das dann aus in dem Bühnenbild?
Das hat genau damit zu tun. Das Bühnenbild besteht zu 90 Prozent aus Bierkästen.

Verstanden. Und das ist dann die Analogie zu der Unzivilisiertheit auf der Insel?
Genau. Also für uns ist diese Insel auch eine Insel von den Letzten, die sich ungesund ernähren, die vielleicht nur Fleisch essen, Bier trinken und die politisch inkorrekt sind, und immer diese Angst haben, dass sie irgendwann vom Veganismus, vom Gendertum oder sonst irgendetwas irgendwie eingeholt werden.

Also gehen die Besucher als Vegetarier aus dem Stück?
Ähm… ich hoffe nicht. Aber die Besucher sollen hoffentlich belustigt aus dem Stück herausgehen. Und vielleicht Lust auf ein Bier bekommen oder nur auf Geselligkeit. Es gibt genauso eine Verteidigung des Veganismus bei uns, wie auch die Verteidigung des Fleischessens. Wir wollen uns aber über niemanden erheben, geschweige denn, dass wir etwa eine Botschaft vermitteln wollen.

Und wie ist die Zusammenarbeit mit einer Punkband?
Sehr lustig. Weil diese Punkband in diesem Jahr seit 30 Jahren besteht. Und dementsprechend – auch altersadäquat – diese Herren so sind, wie sie eben sind. Also wie man mit Mitte 50, Anfang 60 so ist.

Lesen Sie hier die Rezension zu „Häuptling Abendwind und Die Kassierer: Eine Punk-Operette“.

„Häuptling Abendwind und Die Kassierer: Eine Punk-Operette“ | Do 12.2., Sa 21.2. 19.30 Uhr | Theater Dortmund | 0231 502 72 22

INTERVIEW: PETER ORTMANN

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