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Begleiteten das Publikum durch den Abend: Jasmin und Ann-Kathrin
Foto: Sergey Slavin

Alternative Erotik

01. April 2014

„wortGEwaltig“ im Spunk am 29.3.

Jeder Slam-Contest braucht seinen Running gag. Gast-Slammerin Sandra Da Vina servierte diesen beim letzten „wortGEwaltig“-Abend, Moderatorin Jasmin Sell partizipierte: „Willkommen zum erotischen Poetry-Slam.“ Denn Da Vina, die außer Konkurrenz als Feature-Gast eingeladen war, zeichnete in ihrer Tagebuch-Chronik die Dramaturgiekurve ihrer Menstruation. „Visualisierter Ekel“, so das künstlerische Credo. Ekel, Jammer (wie Schauder) und Elend, das waren die Themen des Abends. Da Vina gab den Nöten weibliche Schattierungen. Überhaupt muss – da nicht selten eher männliche Teilnehmer die Bühnenmehrheit bilden – bemerkt werden, dass viele Poetinnen am Contest teilnahmen. „Wir sind heute sehr frauenlastig“, kommentierte Jasmin die Hegemonie an diesem Tag. Aber die Akkumulation von viel Elend macht auch nicht vor solchen Geschlechterdifferenzen halt. Vielleicht liegt es auch an der Szenerie: Während anderswo die Slams auf fetten Bühnen zelebriert werden, streift man auf dem Weg ins unscheinbare Spunk durch eine beschauliche Siedlung mit Spießer-Gärtchen, der Grillgeruch der Frühlingseröffnung liegt in der Luft, aus dem Spunk kommen einem schon bei halb geöffneter Tür die ersten Sprechsalven entgegen: Das Kleinbürgertum schien die Klagelieder auszupacken und künstlerisch aufzumucken.

Was ihr wollt: Feature-Gast Sandra Da Vina las vom Publikum gewünschte Texte. Foto: Sergey Slavin

Elend und Konjunktivkonjunktur

Vielleicht drängt sich ein solcher Eindruck auch aufgrund der Location auf: Die ist vor allem chillig und gemütlich. Die wenigen Besucher kennen sich untereinander, spontan geht die Veranstaltung eine Stunde früher los. Oder der Eindruck entsteht, weil man sich auf der Bühne bemüht, auch mal etwas Politisches zu dichten: „Stell dir vor“, empfiehlt Niko Sioulis, zunächst titelgebend: „Wenn Blicke töten könnten.“ Dann entfaltet er ein Panoptikum des Elends: Zwangsprostitution, Alkoholismus, Globalisierungsklaustrophobie – ausgelassen wird nichts. Das wirkt zuweilen, als hätte man John Lennons unsäglichen Song „Imagine“ einmal durch die negative Dialektik Adornos gezogen: Das Ganze ist das Elendige. Björn Gögge stand dem in nichts nach in seinem Text über Liebe und Nazis: „Es war einmal“, beginnt er seine Geschichte über Elsa. Dann kommen ein, zwei – ja, man mag gar nicht mehr mitzählen – Schicksalsschläge, bis sich sogar die Nazis in die Schicksalsschläge einmischen. Dann schwingt hinter der melodramatischen Fassade die pädagogische Keule hervor. Wer es ahnt, kann sich immerhin wegducken. Politisch ist noch links Freiraum für SlammerInnen. Gorny nutzte diesen Freiraum, nicht nur um zu beweisen, seine Verse mit dem Term „Scheiße“ maximal frequentieren zu können, sondern auch als politischen Projektionsraum: Als Bashing gegen rotzige Linksautonome, neunmalkluge Anti-Imperialisten und „Sozialpädagogen der kritischen Sorte“. Zum Teufel mit diesen kritischen Geistern!

American-(Student)-Psycho

Wie gewohnt glänzte Tobias Reinartz mit satirischen Texten. Amüsant schildert er die kafkaesken Hürden und Strapazen eines BAföG-Antrags: Von bürokratischen Formularkleinigkeiten in den ersten paar Semestern, über BAföG-Selbsthilfegruppen bis hin zur finalen Bewilligung: etwa 37€. Inspiriert von Christian Bale in „American Pyscho“ wird die Studierendenförderung in eine Baumarkt-Axt investiert. Das Publikum forderte von Reinartz einen Zombie-Text, mit dem er schließlich im Finale überzeugte: „Auf dem Land“ schildert die Schrecken des Dorflebens nahe Dinslaken, wo der Schlager-Terrorrist Wendler residiert, samstags die Geschäfte schon um 14 Uhr schließen und es kein Entrinnen gibt – „es fährt auch kein Bus mehr.“

Sieger des Abends: Tobias Reinartz. Foto: Sergey Slavin
Benjamin Trilling

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Nonsense, 14.04.2014

Parallelwelt

Beim Lesen dieses journalistischen Ergusses könnte man sich, als Besucherin dieser Veranstaltung fragen, ob der Verfasser die Veranstaltung in Gänze verfolgt hat. Diese Frage stellt sich, wenn man die Zusammenfassung der Beiträge von Sandra Da Vina durchliest, da sich Herr Trilling allein auf einen Beitrag von Frau Da Vina beschränkt und so tut, als habe Sandra Da Vina den gesamten Abend allein über "weibliche Probleme" gesprochen und somit Ekel und Schauder verbreitet, dies ist jedoch nicht ganz richtig und wird der Poetin nicht gerecht.
Zum anderen hege ich persönlich Zweifel an der Aufmerksamkeit des Herrn Trilling, da einige Poeten von ihm vollständig ausgespart und ihre Beiträge nicht weiter erwähnt wurden. Da Herr Trilling sich hier bemüht der Veranstaltung den "Elends"-Stempel aufzudrücken, lässt sich mutmaßen, dass diese Beiträge einfach nicht in sein Elend gepasst haben, vielleicht ist Herr Trilling aber auch nach den beschriebenen Beiträgen entschwunden.
In diesem Fall denke ich nicht, dass es angebracht ist eine Zusammenfassung des Abends zu verfassen und so ein, doch recht negativ behaftetes, Bild zu zeichnen.

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